Wettbewerbsvorteile

Stellen Sie sich ein Unternehmen vor, dass ein wunderbares neues Produkt entwickelt und neu auf den Markt gebracht hat. Die Nachfrage der Kunden für das neue Produkt ist stabil. Für eine Weile wird das Unternehmen als alleiniger Anbieter eines solchen Produktes am Markt sein und von der Monopolstellung insofern profitieren, als dass gute Gewinne abgeschöpft werden können. Deshalb entscheiden Sie sich nun für ein Investment in das Unternehmen. Immerhin erlaubt das neue Produkt eine gute Entwicklung der Umsatzsituation des Unternehmens, was der Aktie weiteren Auftrieb verleihen sollte. Trotz des positiven Anklangs des Produktes auf dem Markt und steigender Umsatzerlöse des Unternehmens setzt sich jedoch die Kursbewegung bereits nach einigen Monaten seit Ihrem Einstieg nicht weiter fort.

Solche Szenarien sind nicht selten, sondern immer wieder zu beobachten. Der Hintergrund dieses Phänomens könnten dabei die Gesetzmäßigkeiten des Marktes sein, die zu dem vermeintlich atypischen Verhalten von Umsatzentwicklung und Kursbewegung der Aktie führen.

Die Entwicklung erklärt sich dabei folgendermaßen. Der Erfolg des Unternehmens macht andere Marktteilnehmer hellhörig, die darauf spekulieren könnten, ebenfalls vom starken Interesse der Kunden nach dem neuen Produkt zu profitieren. Sobald andere erkennen, dass mit einem solchen neuen Produkt Geld zu verdienen ist, werden sie also versuchen, das Produkt nachzuahmen. Das Angebot am Markt steigt und die Preise fallen. Das bedeutet auch, dass die Rentabilität der mittlerweile zwei Unternehmen auf dem Markt sinkt. Wenn weitere Anbieter auf den Markt drängen, fällt die Rentabilität aller Unternehmen immer weiter. Das Spiel geht so lange, bis die Kapitalrendite auf dem Niveau der Kapitalkosten liegt und keiner der Wettbewerber mehr Überrenditen erwirtschaftet. Sobald Überrenditen unmöglich werden, werden auch keine neuen Wettbewerber mehr auf den Markt drängen. Ein Wertschöpfungspotenzial ist dann jedoch nicht mehr vorhanden. Für den Aktienkurs eines Unternehmens heißt keine Wertschöpfung, dass auch kein kausaler Grund für eine Kurssteigerung gegeben ist.

Das heißt also im Umkehrschluss, dass ein Unternehmen nur dann auf Dauer Überrenditen (Kapitalrendite > Kapitalkosten) erwirtschaften kann, wenn es ihm gelingt, einen qualitativen Vorsprung vor den anderen Wettbewerbern zu halten. Aus diesem Grund gilt es, den Wettbewerbsvorteilen bei der Unternehmensanalyse besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Wenngleich die Analyse der Zahlen und das Anstellen von Prognosen sicherlich auch ein wichtiger Teil des Analyseprozesses sind, nimmt die Betrachtung von Produkten und Wettbewerbsumfeld eine entscheidende Stellung ein, vor allem hinsichtlich der Nachhaltigkeit der Rentabilität. Vor allem lässt sich so die Frage beantworten, was genau die Rentabilität bedingt und, noch wichtiger, ob sie auch über einen möglichst langen Zeitraum gehalten werden kann.

Wettbewerbsvorteile sind also der Schlüssel zu nachhaltigem Erfolg eines Unternehmens. Nur wenn Wettbewerber nicht ein vergleichbares oder gar besseres Produkt anbieten können, wird der Unternehmenserfolg auch von der Rentabilitätsseite aus betrachtet dauerhaft gewährleistet sein. Werfen wir daher also einen Blick darauf, welche Wettbewerbsvorteile infrage kommen, um dieses Kriterium zu erfüllen.

Arten von Wettbewerbsvorteilen

Es gibt zwei verschieden Arten von Wettbewerbsvorteilen: angebotsseitige Wettbewerbsvorteile und nachfrageseitige Wettbewerbsvorteile. An dieser Stelle sei schon einmal vorausgeschickt, dass eine reine Produktdifferenzierung kein Wettbewerbsvorteil ist. Einem Produkt neue Funktionen, Eigenschaften, etc. hinzuzufügen ist ein Prozess, der in der Regel leicht kopiert werden kann, sodass die Differenzierung nicht von allzu langer Dauer ist. Vielmehr bedarf es weiterer Faktoren, um letzten Endes auch einen Wettbewerbsvorteil zu erhalten.

Angebotsseitige Wettbewerbsvorteile

Angebotsseitige Wettbewerbsvorteile zielen darauf ab, dass ein Unternehmen ein Produkt oder eine Dienstleistung anbieten kann, das Wettbewerber so nicht darstellen können. Damit wird das Angebot am Markt eng gehalten und neue Wettbewerber können nicht ohne Schwierigkeiten auf den Markt drängen. Das klassische Beispiel hierfür ist ein Patent. Ist ein Patent vorhanden, hat ein Unternehmen das exklusive Recht auf das angemeldete Produkt, Fertigungsverfahren etc., und darf dabei nicht kopiert werden. Jedoch muss man auch beachten, dass Patente eine begrenzte Laufzeit haben, weshalb der Wettbewerbsvorteil nicht von allzu langer Dauer sein kann. Ähnliches gilt für Lizenzen, die ausschließlich den Lizenznehmern ein bestimmtes Recht gewähren.

In den meisten Fällen ist jedoch kein Patent oder keine Lizenz vorhanden. In diesen Fällen kann allerdings bereits der Besitz eines “Quasi-Patents” ausreichen. Hierbei ist etwa ein hohes Know-how oder sehr lange Erfahrung gemeint, die sich ein Wettbewerber nicht ohne weiteres aneignen kann, sondern sehr viel Zeit und Geld investieren müsste, um auf den gleichen Stand zu gelangen. In diesem Zusammenhang sind auch Technologien zu nennen, die zwar nicht geschützt sind, aber dennoch nur schwer reproduzierbar sind. Auch eine spezielle Designkompetenz kann beispielsweise in bestimmten Bereichen vorteilig sein, wobei diese meist an bestimmte Personen gebunden ist, die nicht für unbegrenzte Zeit für das Unternehmen aktiv sein werden.

Eine weitere Perspektive, aus der man angebotsseitige Wettbewerbsvorteile betrachten kann, ist die Hervorhebung von Strukturen, die ein Wettbewerber nicht nachahmen kann. Gemeint sind hier zum Beispiel bestimmte Standortvorteile oder der Zugang zu benötigten Rohstoffen. Hier müssten andere Unternehmen mehr Kosten aufbringen, um das gleiche Resultat zu erzielen, wobei sich eine niedrigere Rentabilität ergeben würde. Auch wenn dieser Vorteil für das Unternehmen nur klein sein mag, wirkt sich dies im Wettbewerbsgefüge spürbar aus.

Niedrigere Kosten sind ohnehin ein gewichtiger Wettbewerbsvorteil, wenn dieser nachhaltig gehalten werden kann. Ein Unternehmen, das bei sonst gleichen Voraussetzungen und Produkteigenschaften dauerhaft günstiger produzieren kann, wird gegenüber den Kunden selbstverständlich immer einen Vorteil haben und dem Wettbewerb die Renditen streitig machen.

Nicht zuletzt machen erzielbare Skaleneffekte einen Wettbewerbsvorteil aus. Sei es durch bessere Produktionsverfahren, Einkaufsvorteile oder andere beliebige Gründe: Sobald bei steigender Menge Kosten lediglich unterproportional steigen, entsteht durch die höhere Rentabilität ein Vorteil. Dieser kann sich zum Beispiel im dann im Vergleich zu den Wettbewerbern höheren Marketingbudget bemerkbar machen, daswiederum die Marktanteile ausbaut. Erzielbare Skaleneffekte sind ein mächtiger Faktor, auf den bei der Unternehmensanalyse genau geachtet werden sollte, da darin eine Menge Wertsteigerungspotenzial für Aktionäre steckt.

Nachfrageseitige Wettbewerbsvorteile

Die zweite Variante, Wettbewerbsvorteile zu erlangen, ist nachfrageseitig geprägt. Nachfrageseitig bedeutet, dass etwas vom Kunden ausgeht. Eines der wichtigsten Beispiele ist hierbei die Macht der Gewohnheit beim Kunden, was insbesondere im Konsumgüterbereich eine Rolle spielt. Wer sich einmal an ein bestimmtes Produkt gewöhnt hat, ist oft auch ein loyaler Kunde. Die Gewohnheit lässt den Kunden auch beim nächsten Mal wieder zum gleichen Produkt greifen. Oder wie oft wechseln Sie Ihre Waschmittel- oder Zahnpastamarke?

Im Zusammenhang mit Gewohnheit ist Marke ein wichtiges Element. Unternehmen, die sich darauf verstanden haben, eine Marke aufzubauen, profitieren davon über Jahrzehnte. Dabei werden zentrale Qualitäten der Produkte mit dem Markennamen verknüpft und dem Kunden über die Zeit bewusst und unterbewusst verdeutlicht. Dessen Wiederkehr zum gleichen Produkt festigt sich damit über die Zeit immer intensiver.

Sowohl im Bereich der Privatkunden, aber auch im geschäftlichen Umfeld, spielen die Kosten für die Suche eines neuen Produktes eine große Rolle. Wenn Sie gute Erfahrungen mit einer bestimmten Automarke haben, ist es am wenigsten Aufwand, Ihr nächstes Auto wieder von derselben Marke zu kaufen. Sie kennen ja die Eigenschaften. Nach einer anderen Marke Ausschau zu halten, kostet mindestens Zeit und wenn Sie nachher feststellen, dass sie falsch lagen, auch richtig Geld. Im Geschäftsleben sind die Suchkosten meist noch wesentlicher. Einen neuen, aber passenden, Zulieferer zu finden, kann richtig teuer sein. Dies ist dabei oftmals durch die hohe Komplexität von Produkten, Angebotsversionen, Varianten etc. bedingt.

Dazu kann außerdem kommen, dass die Kosten für den Wechsel des Anbieters hoch sein können. Gerade im geschäftlichen Bereich kann sich kein Unternehmen das Risiko einer ungeplanten Produktionsstörung leisten; es sollte also bei einer Umstellung nichts schiefgehen. Daher haben Softwareunternehmen meist einen festen Platz in Unternehmen, denn wenn bei einem Wechsel der Software Probleme auftreten, sind oft ganze Prozessketten betroffen, die im Zweifel das gesamte Unternehmen negativ beeinflussen können.

Ein ganz wichtiger nachfrageseitiger Wettbewerbsvorteil sind sogenannte Stellvertreter-Geschäftsmodelle. Bei Stellvertreter-Geschäftsmodellen befindet sich zwischen Verkäufer und Kunde eine dritte Partei, bestenfalls ein Experte. Dieser Experte gibt dem Kunden eine Empfehlung, welcher dieser natürlich mangels eigenen Wissens gerne folgt. Meist wird dadurch ein höherer Preis erzielt, während auch der Mittelsmann ein starkes Eigeninteresse daran hat, die Produkte zu vertreiben. Präsent sind Stellvertreter-Geschäftsmodelle z.B. bei Medikamenten (Ärzte) oder Baustoffen (Architekt, Bauleiter).

Markteintrittsbarrieren

Effektive Wettbewerbsvorteile dienen letztendlich als Markteintrittsbarrieren, denn sie halten Wettbewerber davon ab, in den Markt einzutreten und durch ein erhöhtes Angebot die Kapitalrendite der gesamten Branche herunterzufahren. Oftmals sind dabei kleine Märkte attraktive Bereiche, die womöglich kein exorbitantes Wachstum aufweisen. Dort animiert der Wettbewerb überhaupt nicht zum Einsteigen, weil der zu verteilende Marktanteil nicht attraktiv ist. Diejenigen Unternehmen, die jedoch in dieser Nische aktiv sind, genießen oft hohe Kapitalrenditen. Bei der Beobachtung von Märkten kann man also auch auf interessante Unternehmen stoßen. Wenn Sie z.B. eine Branche entdecken, in welcher bereits über einen langen Zeitraum hinweg recht stabile Verteilungsverhältnisse herrschen, dann ist dies ein Indiz dafür, dass eventuell Markteintrittsbarrieren vorherrschen und die Spieler auf diesem Markt gute Renditen erwirtschaften. Dies kann auch ein regionaler Markt sein. Oft reicht eine vergleichsweise kleine regionale Abgrenzung schon aus, um sich signifikant vom Wettbewerb abzusetzen. Es muss nicht immer ein Weltmarktführer sein: Regionale Stärke, wenn sie denn durch Eintrittsbarrieren gesichert ist, ist auch schon viel wert.

Das Fehlen von Markteintrittsbarrieren wird auf der anderen Seite früher oder später unweigerlich dazu führen, dass andere Teilnehmer auf den Markt drängen. Dieser Eintrittsprozess kann zudem durch externe Einflüsse beschleunigt werden, wie etwa Subventionen, welche den normalen Selektionsprozess des Marktes außer Kraft setzen können. Trotz Wettbewerbsvorteil kann ein Unternehmen dann möglicherweise seinen Vorteil nicht ausspielen. Auch technologischer Wandel senkt Eintrittsbarrieren. Ist eine Technologie nämlich schnell veraltet, so nützt es nichts, der einzige Anbieter zu sein. Nicht zuletzt ist auch die Globalisierung eine Herausforderung. Sobald regionale Grenzen entfallen, kommen neue Wettbewerber auf den Markt und erhöhen potenziell das Angebot, was wiederum die Preise und Kapitalrenditen nach unten drückt.

Fazit

Langfristig erfolgreiche Unternehmen zeichnen sich allesamt dadurch aus, dass sie einen Wettbewerbsvorteil besitzen, den andere Wettbewerber nicht aufweisen können. Diese Wettbewerbsvorteile tragen dazu bei, dass die erwirtschafteten Kapitalrenditen nachhaltig auf einem hohen Standard bleiben und im Umkehrschluss auch nachhaltig hohe Renditen für die Investoren erzielt werden. Aus diesem Grund kommt der Analyse von Wettbewerbsvorteilen eine wesentliche Bedeutung zu. Wenn man es schafft, die richtigen Punkte diesbezüglich zu erkennen und richtig einzuschätzen, kann man auf ein Investment stoßen, dass man über viele Jahre ertragreich im Portfolio halten kann. Die Analyse mag aufwendig sein. Sie lohnt jedoch außerordentlich und verspricht langfristigen Ertrag.

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