Aktienbewertung: Der Gewinn liegt im Einkauf

Hinter uns liegen inzwischen mehrere Jahre steigender Börsenkurse. Mehr noch: Wir befinden uns in einer der längsten Aufwärtsphasen aller Zeiten. Nicht verwunderlich also, dass immer mehr Stimmen laut werden, die behaupten, dass der Markt heiß gelaufen sei, oder dass die Bewertungen inzwischen zu hoch seien, sodass eine Korrektur oder gar ein Crash inzwischen unausweichlich seien.

Diese Sichtweise ist durchaus verständlich, hat jedoch einen entscheidenden Haken: Sie versucht, die Zukunft zu antizipieren. Wenn eines an der Börse sicher ist, dann der Fakt, dass man die künftige Kursentwicklung nicht prognostizieren kann. Jeder Versuch ist verschwendete Zeit. Eine gute Rendite an der Börse zu erzielen - vor allem langfristig - hat rein gar nichts damit zu tun, die Kursbewegungen vorherzusehen. Das ist aber genau das, was die meisten versuchen. Diese Taktik gleicht stark dem Vorgehen, im Casino beim Roulette auf schwarz oder rot zu setzen.

Es ist richtig, dass die Börsen bereits seit sehr langer Zeit tendenziell nach oben streben. Keine Frage, dies lässt sich leicht beobachten. Ob die Börsen “heiß” gelaufen sind, ist hingegen eine andere Frage. Gestiegene Kurse und überbewertete Kurse sind absolut nicht das gleiche. Vielmehr muss man an jedem Punkt eines Aktienkurses die Frage stellen, ob der Preis des jeweiligen Unternehmens an genau diesem Punkt angemessen ist oder nicht. Dabei spielt es keine Rolle, ob der Kurs gerade auf einem neuen Hochpunkt oder einen neuen Tiefpunkt steht. Es geht um Bewertung.

Ertragsrendite zur Bewertungsprüfung

Werfen wir einen Blick auf die derzeitige Bewertung an den Börsen. Der DAX weist derzeit ein durchschnittliches Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) von rund 15 auf. Damit liegt der Wert ziemlich genau im langjährigen Mittel. Zudem hat der DAX in den vergangenen 50 Jahren im Durchschnitt eine Rendite von ca. 8% erreicht. Wenn die Bewertung derzeit fair ist, spricht zumindest technisch gesehen vieles dafür, dass die durchschnittliche Rendite weiterhin erreicht werden kann. Anders gesagt spricht technisch nichts gegen die Aussage, dass der DAX auf dem derzeitigen Niveau weiterhin im Mittel der vergangenen Jahre verlaufen sollte.

Eine interessante Kennzahl ist auch die sogenannte Ertragsrendite. Diese ist der Kehrwert des KGV, ausgedrückt in Prozent. Ein KGV von 10 würde also 1/10 = 10% ergeben. Die Ertragsrendite gibt die implizite Renditeerwartung einer Aktie wider. Damit wird auch deutlich, dass die Renditeerwartung umso niedriger wird, je höher das KGV steigt. Bei einem KGV von 25 würde beispielsweise nur noch eine Ertragsrendite von 4% zu Buche stehen. Dabei muss immer analysiert werden, ob das erhöhte Risiko der Aktie noch in Relation mit der Renditeerwartung steht, oder ob es eventuell ähnlich verzinste Produkte mit weniger Risiko gibt, etwa Anleihen. Im derzeitigen Zinsumfeld impliziert dies auch, dass Anleihen - selbst wenn die Bewertung hoch sein sollte - momentan keine lohnende Alternative zu Aktien sind.

Was ist fair?

Wenn wir derzeit eine Bewertung mit einem KGV 15 im DAX haben, errechnet sich also eine Ertragsrendite von 6,7%. Diese ist nur leicht unter den 8%, die der DAX über die letzten 50 Jahre hinweg erreicht hat. Auch hier liegt der Wert demnach ziemlich genau auf dem langjährigen Mittel. Wenn man argumentieren würde, dass der DAX derzeit zu teuer sei, könnte man also höchstens die Aussage treffen, dass die durchschnittlich zu erwartende Rendite leicht unter den 8% der vergangenen 50 Jahre liegt. Das heißt noch lange nicht, dass ein Crash zu erwarten ist, sondern kann genauso bedeuten, dass der DAX beispielsweise in den nächsten 4 Jahren nur mit jeweils 1,5% pro Jahr zulegt.

Die viel wichtigere Frage, die sich daraus ergibt, ist, wie man auch jetzt eine Überrendite erzielen kann. Die Antwort darauf hat allerdings nichts mit dem aktuellen Bewertungsniveau zu tun, sondern ist für alle Börsenphasen allgemeingültig.

Wenn der Gesamtmarkt gerade auf einem impliziten Renditeniveau von 6,7% bewertet und eine Überrendite gewünscht ist, dann muss die Rechnung hier rückwärts gedacht werden. Möchte man also 10% Rendite erreichen, darf man nur Aktien mit einem KGV von maximal 10 kaufen. Auf Basis der aktuell höheren Marktbewertung ist dies ein nicht einfaches Unterfangen. Viele Anleger geben daher in ihren Renditeanforderungen nach und geben sich zum Beispiel mit 7% zufrieden. Das ist zwar immer noch leicht über der Marktrendite, dabei muss jedoch auch immer bedacht werden, dass das Risiko mit steigenden Bewertungen ebenfalls steigt.

Höher diskontieren - günstiger kaufen

Diese Betrachtung kann man auch noch von einer anderen Seite aus vornehmen. Üblicherweise werden zur Bewertung von Unternehmen zukünftig erwartete Cashflows auf den heutigen Tag diskontiert. Nehmen wir einmal vereinfacht an, ein Unternehmen erzielt einen Gewinn von 10€, der in voller Höhe als Dividende ausgeschüttet wird. Wir können zudem davon ausgehen, dass auch in den kommenden Jahren immer wieder der gleiche Gewinn erzielt und die gleiche Dividende gezahlt wird.

Eine Ausschüttung von 10€ pro Jahr, die in alle Ewigkeit bezahlt wird, ist, bei einer Renditeforderung von 10%, 100€ wert (10€/0,1=100€). Notiert die Aktie unter 100€, mache ich also einen guten Schnitt. Liegt die Renditeforderung jedoch bei 15% pro Jahr, so kann ich höchstens einen Preis von 66,7€ bezahlen, um ein gutes Geschäft zu machen. Der Unterschied ist signifikant und macht deutlich, wie ein Renditeunterschied zustande kommt.

Je höher die Kurse insgesamt an den Börsen sind, desto schwieriger wird es natürlich, gute Chancen zu finden, welche man tatsächlich zu solch günstigen Kursen kaufen kann. Gerade für Investoren, die eine hohe Rendite für sich beanspruchen, steigen die Herausforderungen. Viele Anleger lösen dieses Problem für sich selbst, indem die Risikoaversion sinkt. Das heißt also, dass, wer bisher z.B. Cashflows mit 10% diskontiert hat, nunmehr nur noch 7% ansetzt. Im Resultat könnte er im obigen Beispiel statt maximal 100€ nun 143€ bezahlen. Das führt zu einem höheren Level der Bewertungen. Statt einem KGV von 10 bezahlt der Anleger nun ein KGV von 14 und geht damit ein viel höheres Risiko ein, als er eigentlich ursprünglich bereit war. Über einen langen Zeitraum wird sich das negativ auswirken, da hoch bewertete Aktien einem deutlich höheren Rückschlagspotenzial ausgesetzt sind als Aktien mit fairen oder niedrigen Bewertungen, fallses an den Börsen wieder einmal zu einem Crash kommt.

Konsequent bleiben

Die große Herausforderung für Anleger mit hohem Renditeanspruch ist daher, sich nicht in den Sog der steigenden Bewertungen ziehen zu lassen. Während auch in diesen Tagen immer mehr Investoren nach Risiko trachten, um auch bei den erhöhen Bewertungen in den Markt zu kommen, bleibt der renditeorientierte Investor ruhig. Die Maßgabe ist ganz klar. Entweder gibt es attraktiv bewertete Unternehmen oder eben nicht. Und wenn nicht, dann muss die Konsequenz sein, dass die Cashquote steigt und keine neuen Titel ins Depot aufgenommen werden.

Günstige Einstiegskurse sind ein wesentlicher Faktor für eine langfristige Überrendite. Zu teuer zu kaufen ist einer der wesentlichsten Fehler, die an der Börse gemacht werden. Mit zu hohen Einstiegsniveaus steigt das Risiko kräftiger Rücksetzer. Nicht umsonst haben einige der besten Investoren in der Internetblase 1999 und 2000 nicht viel Geld verdient, dafür dann wiederum aber im Crash auch nicht viel verloren. In der Endabrechnung sind diejenigen am besten weggekommen, die das Spiel zu überhöhten Preisen eben nicht mitgespielt haben.

Attraktive Titel zu finden ist natürlich schwieriger, wenn man eine höhere Diskontierung verwendet, aber genau das ist der Punkt. Wenn man mit der Marktrendite zufrieden ist, dann kann man quasi jeden x-beliebigen Wert kaufen. Man wird damit wahrscheinlich eine Rendite erwirtschaften, die marktkonform, aber eben auch nicht mehr ist. Wer Überrenditen haben möchte, muss sich auch die Mehrarbeit machen, aus der Vielzahl an Aktien die vielversprechendsten herauszusuchen. Das ist eine herausfordernde Arbeit, die nicht ohne Weiteres und nicht ohne jahrelanges Lernen und Arbeiten gemeistert werden kann. Nicht umsonst schaffen es 90% aller Fonds nicht, dauerhaft den Markt zu schlagen.

Cashflows schätzen, nicht Aktienkurse

Wenn man Börsenkurse nicht voraussagen kann und nur eine günstige Bewertung eine Rolle spielt, sind dann Prognosen unnötig? Die Antwort lautet klar: Nein. Es geht zwar nicht darum, einen Börsenkurs vorherzusagen, aber sehr wohl darum, die zukünftige Entwicklung eines Unternehmens abzuschätzen. Je besser und genauer man die Entwicklung von Umsatz und Gewinn eines Unternehmens abschätzen kann, desto besser wird die erzielbare Rendite sein. Das ist ein wesentlicher Vorteil und klares Kennzeichen sehr guter Investoren: Sie haben ein gutes Händchen dafür, Unternehmensentwicklungen einzuschätzen und danach entsprechend zu handeln.

Erscheint z.B. ein Unternehmen heute mit einem KGV von 15 recht ambitioniert bewertet, kann es ja durchaus sein, dass es im kommenden Jahr etwa seinen Gewinn verdoppelt. Damit würde nur noch ein KGV von 7,5 zu Buche stehen und das Unternehmen damit sehr attraktiv bewertet sein. Die Möglichkeit, dass Unternehmen in ihre derzeitige Bewertung “hineinwachsen”, ist ein wesentliches Element für Investoren, die eine Überrendite erzielen möchten. Diese Gewinnentwicklung muss nämlich korrekt antizipiert werden, denn sonst wäre der Einstiegspreis wiederum zu hoch. In dieser Vorgehensweise liegt ein großes Stück Wertschöpfung, das ein wesentliches Element für Überrenditen sein kann.

Fazit

“Der Gewinn liegt im Einkauf” ist eine alte Kaufmannsweisheit, die auch an der Börse einen hohen Wahrheitsgehalt birgt. Wer an den Börsen eine Überrendite erreichen möchte, muss vor allem darauf achten, dass der Einkaufspreis der Aktien stimmt. Wer zu teuer kauft, geht ein erhöhtes Risiko für Rückschläge ein. Vielmehr hat die Historie gezeigt, dass zu teuer bewertete Aktien früher oder später immer wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt werden. Eine Möglichkeit, nicht zu teuer zu kaufen, ist die Verwendung eines entsprechend höheren Diskontierungssatzes bezüglich der Eigenkapitalkosten. Wenn man die Cashflows der Unternehmen beispielsweise. mit 15% anstelle 10% diskontiert, kommt man automatisch zu niedrigeren und fairen Werten und kauft damit nur mit besonders hohen Abschlägen. Diese Vorgehensweise - die vor allem in Zeiten steigender Börsen schwierig zu vollziehen ist - macht sich über einen langen Zeitraum in Form einer Überrendite bezahlt.

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