Softfacts in der Unternehmensanalyse
Es gibt eine große Anzahl an Unternehmen, die an der Börse notiert sind. Wenn man das Optimum an Rendite herausholen will, dann muss man all diese Unternehmen überblicken können und die besten heraussuchen, um mit diesen das Portfolio zu bestücken. Die Analyse aller Unternehmen ist ein zeitintensives Unterfangen, das vor allem auch ein ganzes Stück Zahlenarbeit umfasst. Insofern ist das Investieren in Aktien ein Fulltime-Job.
Aber es gibt eine kleine Abkürzung, um dieser Flut an Unternehmen und Informationsverarbeitung Herr zu werden. Es gelten an der Börse nämlich nicht nur die harten Zahlen. Vielmehr können auch sogenannte Softfacts, also weiche Faktoren, eine wichtige Rolle spielen. Unternehmen sind dynamische Gebilde, die von Menschen konstruiert und mit Leben gefüllt werden. Dieses Zusammensein funktioniert wie in jeder anderen Beziehung nur dann optimal, wenn die Chemie stimmt. Eine feine Abstimmung zwischen allen Beteiligten ist notwendig. Im Falle von Unternehmen sind das neben der Unternehmensführung und Mitarbeitern auch Lieferanten, Kunden etc., aber auch Aktionäre.
Durch eine Analyse der Softfacts kann oftmals sehr schnell feststellen, ob das soziale Getriebe eines Unternehmens stockt oder ob das Risiko zumindest hoch ist, dass es zu Reibereien und Unzufriedenheit an verschiedenen Stellen kommt. Die Erfahrung zeigt, dass Softfacts diesbezüglich eine wichtige Bedeutung beigemessen werden sollte. Immer wieder sind mir in den vergangenen Jahren Unternehmen untergekommen, bei denen hinsichtlich der weichen Faktoren Mängel festzustellen waren. Die mittel- und langfristige Performance dieser Unternehmen war nie gut.
Wenn man also das große Unternehmensuniversum zunächst einmal nach den Softfacts analysiert, kann man eine ganze Reihe von Aktien bereits auf die Seite legen. Das Risiko ineffizienten Arbeitens oder nicht optimaler Abläufe ist bei diesen zu hoch und spricht zumindest langfristig nicht für eine gute Kursentwicklung. Hat man dies einmal abgehakt, kann man sich hinsichtlich der Zahlenanalyse auf die verbleibenden Unternehmen konzentrieren und hat zumindest schon einmal eine Einschränkung vorgenommen. Zudem weiß man damit auch, dass die Analyse der verbleibenden Unternehmen tatsächlich sinnvoll ist, da diese ordentlich aufgestellt sind und ordnungsgemäß funktionieren.
Das Management
Einer der wichtigsten Faktoren bei der Evaluierung von Softfacts bei Unternehmen ist die Untersuchung des Managements. Das Management hat die Entscheidungsgewalt im Unternehmen inne und bestimmt damit auch Wohl und Wehe aller Beteiligten, vom Mitarbeiter über den Zulieferer, bis hin zum Aktionär.
Man kann also nicht gründlich genug dabei vorgehen, die Personen im Management unter die Lupe zu nehmen. Die heutigen Möglichkeiten des Internets erleichtern dieses Unterfangen deutlich. Mithilfe von Suchmaschinen kommt man sehr schnell an die Viten der Damen und Herren im Vorstand des Unternehmens. Dabei lohnt es sich ein wenig zu recherchieren, wo die Manager vorher gearbeitet haben und wie erfolgreich sie dort waren.
Einige Vorstände sind eher Söldner, die in relativ kurzen Zeitabständen von Unternehmen zu Unternehmen gezogen sind. Dafür gibt es in der Regel zwei Gründe: Entweder sie hatten keinen Erfolg oder konnten so ihr Gehalt steigern. Selten basiert eine solche Wechselfreudigkeit auf Erfolg. Manchmal kann das natürlich dennoch der Fall sein, etwa wenn der Vorstand Restrukturierungsspezialist ist, der nach getaner Arbeit weiterzieht, oder weil etwa ein bestimmtes Projekt erfolgreich abgeschlossen wurde, wie etwa der Aufbau eines neuen Marktes.
Es gibt Vorstände, deren Vita schnell offenbart, dass sie in der Vergangenheit schon mehrere Insolvenzen durchgemacht haben. Das muss jedoch nicht unbedingt heißen, dass es sich um einen schlechten Manager handelt. Die Indizien sprechen dann allerdings dafür, dass die Person sehr risikofreudig sein könnte. Dann muss man sich als potenzieller Aktionär natürlich gut überlegen, ob man diese Risikofreudigkeit teilt.
Generell sind sicherlich Manager zu bevorzugen, die seit vielen Jahren das Vertrauen der Aktionäre genießen und das Unternehmen in dieser Zeit erfolgreich entwickelt haben. Oft kommt es aber gerade im Bereich der kleineren Unternehmen vor, dass der Vorstand gleichzeitig Gründer und Großaktionär des Unternehmens ist. Dann trifft diese Aussage natürlich nicht zu, da diesen Vorstand dann niemand entlassen kann. In diesem Fall ist die Betrachtung der Vergütungskomponente eventuell ein geeignetes Hilfsmittel, um die Absichten des Vorstands zu hinterfragen.
Die Vergütung des Managements
Die Vergütung von Vorständen ist seit vielen Jahren ein umstrittenes Thema. Sind die Vergütungen zu hoch, sollen sie gar gedeckelt werden? Die Unterschiede bei den Vergütungen zwischen den Unternehmen sind gerade im Bereich der kleinen Unternehmen drastisch. Oftmals ist es so, dass Unternehmer, die gleichzeitig Großaktionäre und Vorstand sind, vergleichsweise hohe Vergütungen kassieren, unabhängig vom Erfolg ihrer Arbeit. Das ist ein Warnsignal für Aktionäre. Bei erfolgreicher Arbeit spricht nichts gegen ein hohes Gehalt des Vorstands, da alle involvierten Parteien profitieren. Wenn das Unternehmen jedoch stagniert oder sogar schrumpft, geht ein zu hohes Gehalt zu Lasten der Aktionäre und sollte dann kritisch hinterfragt werden.
Um eine Einschätzung bezüglich der Höhe des Gehalts und dessen Entwicklung über einen längeren Zeitraum treffen zu können, lohnt sich eine Beobachtung über den Zeitverlauf. Börsennotierte Unternehmen müssen zumindest den Gesamtbetrag der Vorstandsvergütung offen legen, sodass man diesen in Relation zu den Umsatzerlösen oder dem operativen Ergebnis setzen kann. Die prozentuale Höhe der Vorstandsvergütung gibt gut Aufschluss und lässt einen manchmal verwundert noch einmal nachrechnen.
Eine Komponente des Gehalts ist dabei auch die variable Vergütung. Man sollte ein Auge darauf werfen, wie das Vergütungskonzept gestrickt ist und woran die variable Vergütung des Managements festgemacht ist. Manchmal sind diese am Auftragseingang orientiert gewesen, sodass der Vorstand motiviert war, Aufträge um jeden Preis an Land zu holen, egal ob diese profitabel waren oder nicht. Besser als eine auftrags- oder umsatzorientierte Vergütung ist eine, die sich am langfristigen Ergebnis oder Cashflow orientiert.
Nicht zuletzt kommt eine weitere, oft wenig beachtete, Komponente hinzu: die sogenannten Geschäfte mit nahestehenden Personen. Um Interessenskonflikten vorzubeugen, müssen börsennotierte Unternehmen Geschäfte mit nahestehenden Personen, also insbesondere Vorständen, Aufsichtsräten, Familienmitgliedern und Aktionären, offenlegen. Dabei stößt man oftmals auf Verstrickungen zwischen weiteren Firmen der Vorstände oder Aufsichtsräte, die aufhorchen lassen sollten. Dabei kommt es zum einen darauf an, ob und welche Geschäfte getätigt werden und zum anderen, in welchem Volumen dies geschieht.
Solche Geschäfte bergen nämlich immer das theoretische Risiko, dass die Preise, zu denen sie abgewickelt werden, nicht marktgerecht sind. Prüfen lässt sich das jedoch nicht, weshalb solche Geschäfte mit Vorsicht zu genießen sind. Zumindest könnten weitere Unternehmungen, die der Vorstand nebenbei unterhält, etwa dazu führen, dass unserem potenziellen Investitionsobjekt nicht 100%ige Aufmerksamkeit geschenkt wird, was sicherlich kein wünschenswerter Zustand ist.
Transparenz
Das Thema Transparenz ist ein weites Feld und betrifft insbesondere die Frage, wie sich das Unternehmen gegenüber dem Kapitalmarkt präsentiert. Ist ein Unternehmen börsennotiert, so ist es nämlich einer Vielzahl von Aktionären verpflichtet. Diese Verpflichtungen werden von den Unternehmen sehr differenziert und verschieden ausgelegt. Zwar geben gesetzliche Regularien die Mindeststandards vor, die über die Börsensegmente hinweg variieren, jedoch ist ein darüber hinausgehendes Angebot der Informationsdichte freiwillig. Je tiefergehend die Informationen sind, desto besser können sich Aktionäre ein Bild vom Unternehmen machen. Hinzu kommt außerdem, dass Unternehmen, die ihre Zahlen und deren Hintergründe plausibel erläutern, ein niedrigeres Risiko für Aktionäre bergen, da Fehlentwicklungen schneller entdeckt werden können.
Ein zusätzliches Indiz bzgl. der Transparenz ist die Entsprechung des Deutschen Corporate Governance Kodex. Dieser beschreibt einige Anforderungen und Empfehlungen hinsichtlich der Veröffentlichung von Informationen, welche teils über die Pflichtangaben der gesetzlichen Anforderungen hinausgehen. Die Entsprechung des Kodex ist nicht verbindlich. Es muss lediglich darauf hingewiesen werden, in welchen Bereichen die Unternehmen dem Kodex nicht entsprechen möchten.
Durch diese erzwungene Auseinandersetzung mit der Materie lässt sich nachvollziehen, welchen Punkten die Unternehmen nicht entsprechen möchten. Daraus kann man dann seine eigenen Schlüsse ziehen. Die meisten Nicht-Entsprechungen dürften die einzeln ausgewiesenen Managementgehälter betreffen. Zwar müssen die Managementgehälter als Ganzes ausgewiesen werden, nicht jedoch für jedes Vorstandsmitglied im Einzelnen. Dies ist nur eine Empfehlung nach dem Corporate Governance Kodex.
Aber auch die Bilanzierungspolitik ist ein weicher Faktor, der sich zwar schlussendlich in den harten Zahlen wiederfindet, aber zunächst einmal überblicksmäßig betrachtet werden kann. Die Evaluierung der Bilanzierungspraktiken (werden diese eher liberal oder konservativ verfolgt?) gibt zum einen qualitativ Aufschluss darüber, wie die Zahlen der Bilanz einzuschätzen sind und zum anderen darüber, wie das Management des Unternehmens zu sehen ist. Aggressiv bilanzierende Manager haben oftmals einen eher kurzfristigeren Blick auf das Unternehmen und sind tendenziell eher geneigt, größere Risiken einzugehen. Eine aggressive Bilanzierungspolitik ist für den Aktionär folglich im Zweifel nachteilig.
Eine aggressive Bilanzierung führt dazu, dass Bilanzpositionen ?aufgebläht? werden und das Eigenkapital damit in seiner Werthaltigkeitsstruktur beeinflusst wird. Eine Einschätzung des wahren Unternehmenswertes wird damit deutlich erschwert und ist fehleranfällig. Konservative Bilanzierungspraktiken sind damit klar zu bevorzugen und werden im Zweifel mittel- und langfristig zu besseren Ergebnissen führen.
Aktionärsfreundlichkeit
Ob ein Unternehmen gut funktioniert, lässt sich auch am Umgang mit den beteiligten Personengruppen ablesen, die ein Interesse am Unternehmen haben. Das sind beispielsweise die Mitarbeiter. Inzwischen gibt es im Internet Bewertungsplattformen, auf denen Mitarbeiter ihre Arbeitgeber beurteilen können. Diese können Aufschluss geben. Die kundenseitige Bewertung des Unternehmens ist zum Teil auch im Internet möglich, zum Beispiel in Foren. Stammen die Kunden aus dem gewerblichen Bereich, ist das jedoch etwas schwieriger. Ein löblicher Umgang mit Kunden schlägt sich insbesondere in den langfristigen Zahlen nieder, also einer guten Umsatzentwicklung. Ansonsten bleibt noch die Beobachtung der Rechtsstreitigkeiten des Unternehmens. Einige Unternehmen sind vergleichsweise häufig in Konflikte mit Kunden verwickelt, andere hingegen nicht. Wesentliche Rechtsstreitigkeiten werden im Geschäftsbericht angegeben.
Aber auch die Behandlung der Aktionäre gibt ein gutes Bild vom Unternehmen und der dort gelebten Kultur wider. Die Investor-Relations-Betreuung ist dabei ein gutes Indiz. Werden der Aktionärsbetreuung Ressourcen zur Verfügung gestellt? In welchem Umfang werden Informationen angeboten und aufbereitet? Als Aktionär muss man sich angemessen und umfangreich informieren können, auch wenn man nur einen kleinen Anteil am Unternehmen innehat. Informationsasymmetrien sind einer der größten Performancekiller.
Fazit
Das Universum der Softfacts ist schier unendlich. Man kann eine große Menge von Faktoren beleuchten. Man sollte sich daher auf ein paar wesentliche Dinge fokussieren und damit einen festen Katalog definieren, anhand dessen man Unternehmen untersucht. Das Wichtigste ist jedoch die Beleuchtung des Managements. Das Management lenkt das Unternehmen und beeinflusst dieses daher durch seine Auffassungen und Ansichten entscheidend. Beobachtet man die Vorgehensweise des Managements, so bekommt man häufig einen guten Eindruck davon, mit welchen Werten das Unternehmen unterlegt wird. Auch die Transparenz ist dabei ein wichtiges Kriterium, welches die Wertschätzung gegenüber den Aktionären zum Ausdruck bringt.
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