Wertschöpfungsanalyse ~ Analyse der Ertragskraft
Zweifelsohne ist die Rentabilitätsanalyse der zentrale Dreh- und Angelpunkt bei der Unternehmensanalyse. Die Rentabilitätsanalyse im Sinne der Untersuchung der Gewinne bezieht jedoch in seine Betrachtung zumeist nur die Aktionärsinteressen mit ein.
In Unternehmen stehen sich jedoch eine Vielzahl von Interessen gegenüber, die allesamt in einer Abhängigkeit vom Wohl und Wehe der Gesellschaft stehen. Verschiedene Interessen haben hier neben den Aktionären beispielsweise auch der Fiskus sowie die Arbeitnehmer und Fremdkapitalgeber des Unternehmens.
Diese Perspektive verdeutlicht, dass wir einen umfassenderen Begriff als Gewinn oder Verlust verwenden müssen. Hierfür wird die Wertschöpfungsanalyse herangezogen. Die Wertschöpfung ist weiter gefasst als der Gewinnbegriff und beschreibt prinzipiell das Einkommen der Interessensparteien (Stakeholder). Dabei ist empirisch bewiesen worden, dass die Wertschöpfung ein wichtiger Treiber der künftigen Ertragskraft ist. Damit ist die Wertschöpfungsanalyse auch aus Sicht eines Aktionärs eine wichtige Informationsquelle, die ergänzend zur Rentabilitätsanalyse herangezogen werden sollte.
Der Wertschöpfungsbegriff
Wie bereits erwähnt unterscheidet sich die Definition der Wertschöpfung vom Gewinnbegriff durch die umfangreichere Einbeziehung von verschiedenen Positionen. Während der Erfolg der Aktionäre im Sinne der Gewinn- und Verlustrechnung nur durch den Jahresüberschuss definiert wird, werden in der Wertschöpfungsrechnung auch Fremdkapitalerträge, Steuern und Arbeitserträge miteinbezogen und als Erfolg gewertet. In der Gewinn- und Verlustrechnung werden diese Positionen als Aufwendungen verzeichnet.
Die Wertschöpfung eines Unternehmens ist gemäß Definition der Wert des gesamten Produktionsausstoßes, abzüglich der empfangenen, also nicht selbst getätigten, Vorleistungen. Die Wertschöpfung ist also letztendlich der Mehrwert, den ein Unternehmen im Rahmen seiner Arbeit den Leistungen von Dritten hinzugefügt hat. Bezieht ein Unternehmen beispielsweise von einem Dritten Holz für 40 €? und verarbeitet dieses zu einem Stuhl, der für 50 ?€ verkauft werden kann, dann hat das Unternehmen eine Wertschöpfung (Veredelung des Holzes) von 10 ?€ generiert.
Der Vorteil der Wertschöpfungsrechnung ist, dass diese vom Ausmaß der Unternehmenstätigkeit sowie der Finanzierungsstruktur eines Unternehmens unabhängig ist. Damit liefert die Wertschöpfungsanalyse einen objektiven Maßstab bezüglich der Leistungskraft eines Unternehmens und macht diese weitgehend vergleichbar.
Die Entstehungsrechnung
Die Wertschöpfung ist also hinsichtlich ihrer Entstehung gemäß folgender Formel zu fassen:
Der Produktionswert und die Vorleistungen, welche die Wertschöpfung ergeben, lassen sich dabei üblicherweise aus der Gewinn- und Verlustrechnung ableiten. Dabei sind folgende Rechnungen vorzunehmen:
Der Produktionswert ergibt sich aus den erzielten Umsatzerlösen, also den Erlösen aus dem Verkauf von Waren oder Dienstleistungen sowie den erstellten, aber noch nicht verkauften Vorräten. Diese erstellten und vorrätigen Waren werden als Bestandsveränderungen erfasst und erhöhen den Produktionswert. Auch aktivierte Eigenleistungen, welche die Erfassung von Aufwendungen für intern erbrachte Entwicklungsleistungen beinhalten, erhöhen den Produktionswert eines Unternehmens. Nicht zuletzt werden auch andere Erträge aus dem betrieblichen Umfeld einbezogen, sofern diese nicht aus Liquidations- oder Bewertungsgewinnen stammen.
Den größten Block der Vorleistungen machen üblicherweise die Materialaufwendungen aus. Das sind Aufwendungen, die aufgebracht werden, um Rohstoffe, Hilfsstoffe oder ähnliches Material zu erwerben, das dann im Produktionsprozess verarbeitet werden. Zu den Vorleistungen werden auch die Abschreibungen (der Werteverzehr der Produktionsanlagen und anderen Sachanlagevermögen) gezählt. Auch die sonstigen betrieblichen Aufwendungen, welche im Leistungserstellungsprozess anfallen, werden als Vorleistungen erfasst, sofern sie nicht Liquidations- und Bewertungsverluste enthalten. Nicht hinzugerechnet bzw. eliminiert werden die Vergütungen für Aufsichtsrat und Management, da diese sachlich bei der Verteilung und nicht bei der Entstehung zu berücksichtigen sind.
Alle Angaben können dabei aus der Gewinn- und Verlustrechnung bzw. den Anhangsangaben herausgelesen werden, womit die Ermittlung der Wertschöpfung recht einfach vollzogen werden kann. Dabei ist zu beachten, dass wir hier eine etwas vereinfachte Form der Berechnung gewählt haben, die einige Spezialfälle nicht berücksichtigt, da diese in der Regel auch keinen entscheidenden Einfluss haben. Die beschriebene Berechnung ist in der Praxis üblicherweise gut verwendbar.
Die Verteilungsrechnung
Nachdem wir die Wertschöpfung bestimmt haben, können wir nun untersuchen, wem diese zugutekommt (vorausgesetzt es findet eine positive Wertschöpfung statt) und wie sich diese im Zeitverlauf verändert hat.
Die Verteilungsrechnung lässt sich dabei auf folgende Interessensgruppen herunterbrechen:
Mittels der Visualisierung dieser Verteilung der Wertschöpfung eines Unternehmens lässt sich feststellen, wem eine Erhöhung oder Verminderung der Wertschöpfung in einem Unternehmen zugutekommt bzw. wie sich die Verteilung im Zeitverlauf verändert hat. Als zentrale Größe interessiert uns als Aktionäre natürlich die Wertschöpfung, die nach Abzug der Komponenten für Arbeitnehmer, Fiskus und Fremdkapitalgeber verbleibt, also derjenige Teil, welcher zur Werterhöhung der Aktionärsposition beiträgt.
Produktivitätskennzahlen
Da die Wertschöpfung eine aussagekräftige Ertragskennzahl ist, bietet es sich an, diese auch in verschiedenen Kennzahlen zu verwenden und damit hilfreiche Einsichten in die Veränderung der Produktivität über den Zeitverlauf zu erhalten.
So lässt sich beispielsweise mittels des Quotienten aus Wertschöpfung und der durchschnittlichen Beschäftigtenzahl die Arbeitsproduktivität bestimmen. Hieraus lassen sich im Zeitverlauf Verbesserungen der Produktivität der Belegschaft messen. Sinkt diese oder ist sie niedriger als die Produktivität der Konkurrenz, so ist dies ein Zeichen für verbesserungswürdige Ineffizienzen.
Alternativ zur Arbeitsproduktivität lässt sich auch die Personalkostenproduktivität bestimmen, welche nicht nur die Anzahl der Mitarbeiter in Betracht zieht, sondern auch deren Vergütung, also den Wert des Arbeitseinsatzes:
Die gleiche Untersuchung lässt sich hinsichtlich der Kapitalproduktivität anstellen.
Hier wird im Unterschied zur Arbeitsproduktivität das durchschnittlich investierte Kapital in Relation zur Wertschöpfung gesetzt und damit zum Ausdruck gebracht, wie effizient das dem Unternehmen zur Verfügung gestellte Kapital verwendet wird bzw. wie hoch die Wertschöpfung pro Euro Kapital ist.
Die Kapitalproduktivität steht dabei in einer funktionalen Verbindung mit der Arbeitsproduktivität, weshalb beide auf ihr Zusammenwirken hin untersucht werden sollten.
Eine sehr überzeugende Produktivitätsentwicklung ist nur dann festzustellen, wenn beide Komponenten, Arbeits- und Kapitalproduktivität, steigende Tendenzen aufweisen. Sind beide Kennzahlen konstant, so ist dies immerhin akzeptabel. Sinken eine oder sogar beide Kennzahlen, so ist dies ein schlechtes Zeichen, das auf eine rückläufige Produktivität hinweist.
Der Zusammenhang zwischen Arbeitsproduktivität und Kapitalproduktivität lässt sich auch in einer in Japan entwickelten Formel zusammenfassen. Die resultierende Kennzahl nennt sich Totaler Wertschöpfungsquotient (TQW).
Diese Kennzahl berücksichtigt Ersetzungseffekte zwischen den Einsatzfaktoren Kapital und Arbeit. Daher indiziert ein Ansteigen der Kennzahl einen Anstieg der Produktivität.
Schließlich kann man die Wertschöpfung auch zur Analyse der Fertigungstiefe verwenden, wenn man diese ins Verhältnis mit den Umsatzerlösen setzt.
Je höher die Wertschöpfungsquote, desto höher ist die Fertigungstiefe eines Unternehmens. Die Höhe des eigenen Zutuns des Unternehmens im Erstellungsprozess lässt sich also über die Wertschöpfungsquote ermitteln. Durch die Höhe der Wertschöpfungsquote lässt sich damit auch die strategische Ausrichtung eines Unternehmens hinsichtlich der vertikalen Integration erkennbar machen, sodass man leicht erkennt, ob das Unternehmen tendenziell Know-how ins eigene Haus bringt oder Leistungen eher an Dritte auslagert (Outsourcing). Dies ist insbesondere im Vergleich mit anderen Unternehmen, vor allem Wettbewerbern, eine interessante strategische Erkenntnis.
Fazit
Die Wertschöpfungsanalyse ist eine hervorragende Ergänzung zur Rentabilitätsanalyse, da durch diese die Entwicklung der Produktivität eines Unternehmens aufgezeigt werden kann. Außerdem kann nachverfolgt werden, welchen Interessensgruppen des Unternehmens diese Produktivitätssteigerungen zugutekommen. Die Steigerung von Effizienz ist ein wesentlicher Faktor, der zu einer Erhöhung auch des erfolgswirtschaftlichen Gewinns und damit von Aktienkursen führt. Nicht zuletzt lassen sich gewisse Tendenzen hinsichtlich der Vertiefung oder Verringerung der Wertschöpfungstiefe ablesen, was auch strategische Einblicke verleiht, die ebenfalls entscheidende Schlüsse für die zukünftige Unternehmensentwicklung zulassen können.
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Autor des Beitrags "Wertschöpfungsanalyse":
Alpha Star Management GmbH
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