Konjunktur und Aktien: Der Kurve voraus
Eine der wahrscheinlich wichtigsten Erkenntnisse,
die man über die Börse erlangen kann, ist die, dass
die Börsen Diskontierungsmechanismen sind, welche zukünftig erwartete Ereignisse unmittelbar und
blitzschnell berücksichtigen und einpreisen.
Vor allem in Krisenphasen ist es besonders wichtig diese
Funktionsweise zu verstehen, um solche Phasen
möglichst gut zu überstehen bzw. um das Beste aus
den unterschiedlichen Situationen herauszuholen.
Dass die Börsen schneller reagieren als die Wirtschaft oder die Konjunktur, haben die meisten
schon einmal gehört. Ebenfalls gehört haben die
meisten bereits, dass die Börsen zu Übertreibungen
neigen, nach oben und nach unten. Die wichtige Frage ist in diesem Zusammenhang: Warum ist das so?
Das Verständnis darüber hilft, den emotional
schwierigen Ansatz des gegenläufigen Handels besser zu meistern und somit bestmögliche Resultate
zu erzielen.
Spiel der Wahrscheinlichkeit
Insbesondere in Krisenphasen sind die möglichen
Szenarien für die zukünftige Entwicklung sehr vielfältig. So könnte z.B. die Corona-Pandemie zu einer
kurzen Rezession führen, zu einer ausgeprägten Rezession oder gar eine lange Depression der Wirtschaft verursachen. Ganz zu schweigen von möglichen Folgen für internationale Beziehungen, Welthandel etc. Es gibt unzählige Varianten an Szenarien.
An den Börsen werden alle denkbaren Szenarien
durchgespielt und berücksichtigt. Dabei sind manche Ergebnisse wahrscheinlicher als andere,
werden aber dennoch in die Überlegung einbezogen - auch überaus pessimistische Szenarien.
Machen wir ein Beispiel. Nehmen wir stark vereinfacht an, dass es drei mögliche Szenarien für die
Konjunktur in Deutschland gibt. Für jede der Szenarien gibt es eine bestimmte Eintrittswahrscheinlichkeit:
|
Konjunktur |
Wahrscheinlichkeit |
Szenario 1 |
-2% |
10% |
Szenario 2 |
-5% |
70% |
Szenario 3 |
-10% |
20% |
Aus diesen Möglichkeiten wäre der Erwartungswert
für die Konjunktur:
(-2% • 10%) + (-5% • 70%) + (-10% • 20%) = -5,7%
Nehmen wir an, dass die Börse die Konjunktur eins
zu eins abbildet, würden diese Erwartungen eingepreist werden und die Börse würde um 5,7% fallen,
obwohl die Wahrscheinlichkeit sehr hoch ist, dass
ein Rückgang der Konjunktur nur um 5% stattfinden
wird.
Stellt sich dann heraus, dass das wahrscheinlichste Szenario eines Konjunktureinbruchs von -5%
tatsächlich real wird, würde die Börse wieder um
0,7% steigen. Die Übertreibung nach unten würde
also wieder korrigiert werden.
Das Beispiel ist natürlich sehr stark vereinfacht. In
der Realität gibt es tausende Szenarien, wovon
nicht einmal alle bekannt sind. Daher ist die Volatilität, also die Schwankung derzeit auch so hoch.
Aber das Grundprinzip ist so gelagert und der Grund
warum Börsen auf schlechte Nachrichten häufig
überreagieren.
Man kann sagen, dass die Börse der Realität zwar
immer vorausläuft, weil die Zukunft diskontiert wird,
aber es werden zudem auch sehr ungünstige Szenarien eingepreist. Daher ist es so, dass meist
mehr schlechte Dinge passieren könnten, als dann
tatsächlich passieren. Das führt zu Übertreibungen,
die später wieder korrigiert werden. Die Börsen werden wieder die richtigen Preise reflektieren, wenn
sich die Breite an Szenarien eingrenzt und die Visibilität der Szenarien steigen.
Gegen den Trend
Was wir aus diesem Mechanismus lernen können,
ist vor allem die Tatsache, dass es oft zu spät ist zu
verkaufen, wenn die Kurse stark gefallen sind. Die
meisten negativen Erwartungsszenarien sind dann
bereits diskontiert und in den Kursen reflektiert.
<ü>Viele Anleger, die das Prinzip nicht verstehen, verkaufen nahe dem Tiefpunkt und steigen umgekehrt
erst dann wieder ein, wenn die Erholung weit fortgeschritten ist.
Ratsam ist, immer das Gegenteil zu tun, also dann
zu kaufen, wenn die Kurse stark gefallen sind und
zu verkaufen, wenn die Kurse sehr stark gestiegen
sind. Auch dieser Rat ist nicht neu und den meisten
bekannt. Dennoch handeln wiederum die wenigsten
danach.
Warum? Weil es gegen unsere menschliche
Intuition ist. Wir sind so programmiert, dass wir bei
Gefahr (=fallende Kurse) die Flucht ergreifen wollen.
Daher ist es wichtig den beschriebenen Mechanismus zu verinnerlichen, damit wir ein Denkmodell
haben, dass wir benutzen können, um gegen unsere
Emotionen anzukämpfen. Wir dürfen nicht versuchen, schlauer als der Markt zu sein. Das sind wir
nicht. Wir müssen das Prinzip verstehen und uns
zunutze machen.
Liquide bleiben
Um gegenläufig zu den Börsen agieren zu können,
müssen wir sicherstellen, dass wir jederzeit handlungsfähig sind. Gerade in fallenden Märkten ist das
unter Umständen eine Herausforderung. Denn, wir
können unter Umständen nicht auf eine bestehende
Liquiditätsreserve zurückgreifen bzw. kann diese
schnell verbraucht sein.
Es ist daher hilfreich einen Plan zu haben, wie innerhalb des Portfolios Liquidität freigemacht werden
kann und soll. Empfehlenswert ist eine Liste mit den
Aktien, die man unbedingt behalten bzw. die man
bei fallenden Kursen aufstocken möchte. Alle anderen Aktien könnten dann verwendet werden, um
Liquidität für die Top-Aktien zu schaffen. Wenn diese dabei zu niedrigeren Kursen verkauft werden
müssen, ist das in Ordnung, denn die Profite mit den
Top-Aktien werden das mittel- und langfristig leicht
überkompensieren.
Zudem kann es sein, dass eine
Krise neue Opportunitäten eröffnet, z.B. bei ungerechtfertigt stark gefallenen Aktien. Auch um hier
zugreifen zu können, sollte ein Plan vorliegen, wie
eine Umsetzung erfolgen kann.
Fazit
Wir haben keinen Einfluss darauf wie sich die Börsen entwickeln werden. Daher bringt es auch nichts
sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Was wir können, ist den grundlegenden Mechanismus der Börse
zu verstehen und daraufhin ein System entwickeln,
an dem wir unser Handeln orientieren. Der Prozess
ist das alles entscheidende Element für langfristigen Erfolg an der Börse. Wir müssen wissen an welchen Unternehmen wir uns langfristig beteiligen
möchten und wie wir diese Beteiligung liquiditätsseitig ermöglichen können. Mit einem solchen Plan
haben wir das Rüstzeug, um in fallende Märkte hinein zu investieren und langfristig das Optimum an
Rendite zu erreichen.
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Autor des Beitrags "Konjunktur und Aktien: Der Kurve voraus":
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