Eigenkapital und Liquidität

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Die wichtigste Kenngröße zur Einschätzung der Substanzstärke ist das Eigenkapital eines Unternehmens. Das Eigenkapital ist der Teil, der verbleibt, wenn vom Aktivvermögen eines Unternehmens (Sachanlagen, Vorräte, Forderungen, Cash etc.) sämtliche Schulden abgezogen werden. Anders ausgedrückt gibt das Eigenkapital wieder, zu welchem Ausmaß das Aktivvermögen mit eigenen Mitteln finanziert ist.

Um die Höhe des Eigenkapitals einzuschätzen, wird in der Regel die Eigenkapitalquote herangezogen, welche sich aus der Division von Eigenkapital und Bilanzsumme ergibt. Die Durchschnittsgröße deutscher Unternehmen liegt hierbei bei ca. 14%. Das erscheint wenig und kann durchaus auch als niedrig betrachtet werden.

Eigenkapital bietet Unternehmen ein Polster in konjunkturellen Schwächephasen. Werden Verluste erwirtschaftet, mindern diese das Eigenkapital. Ist das Eigenkapital aufgebraucht, bedeutet dies, dass das bestehende Vermögen die Schulden nicht mehr deckt. Diesen Zustand nennt man Überschuldung, was wiederum laut der deutschen Insolvenzordnung ein Insolvenzgrund ist. Ein niedriges Eigenkapital ist im Umkehrschluss ein erhöhtes Risiko für den Investor, da die Funktion als Haftkapital entsprechend gemindert ist.

Jedoch kann man keine Mindestquote für die Höhe der Eigenkapitalquote bestimmen. Je nach Branche und Geschäft sind die durchschnittlichen Werte sehr unterschiedlich. So weisen beispielsweise Immobilienunternehmen in der Regel eine sehr niedrige Eigenkapitalquote auf, da Immobilien üblicherweise durch einen hohen Anteil von Fremdkapital finanziert werden. Auf der anderen Seite haben Softwareunternehmen oftmals sehr hohe Eigenkapitalquoten, da diese meist keine Anlagegüter in wesentlicher Höhe besitzen, die für eine Kreditfinanzierung als Sicherheit dienen können.

Man muss hier also sehr darauf schauen, wie sich die Lage im Einzelfall verhält. Entscheidend ist, wie bei vielen anderen Kenngrößen auch, die Beobachtung über einen längeren Zeitraum hinweg. Wird das Eigenkapital über eine längere Periode hinweg aufgezehrt, ist dies kein gutes Zeichen. Entweder erwirtschaftet das betreffende Unternehmen dann nachhaltig keine Gewinne oder schüttet eventuell Dividenden aus der bestehenden Substanz aus.

Kenngrößen

Einige Kenngrößen wurden erstellt, um einen Anhaltspunkt für eine solide Eigenkapitalgröße auszumachen. Eine davon ist die sogenannte ?Goldene Bilanzregel?, welche besagt, dass eine Fristenkongruenz bei den einzelnen Bilanzpositionen herrschen sollte. Langfristige Vermögensgegenstände sollten dabei langfristig und kurzfristige Vermögensgegenstände kurzfristig finanziert sein. Demnach ergibt sich folgende Faustformel:

Eigenkapital und Liquidität

Eine weitere interessante Kennzahl ist der Eigenkapital-Multiplikator. Dieser errechnet sich aus dem Quotienten von Aktivvermögen und Eigenkapital und gibt Auskunft darüber, wie stark ein Unternehmen auf Fremdfinanzierung setzt, um seine Aktivvermögen zu finanzieren:

Eigenkapital-Multiplikator = Aktivvermögen/Eigenkapital

Der Eigenkapital-Multiplikator gibt also das Vermögen pro Euro Eigenkapital wieder. Ein Wert von 1 beispielsweise bringt zum Ausdruck, dass ein Unternehmen vollständig eigenkapitalfinanziert ist, was in der Praxis nahezu nie der Fall ist. Ein Wert von 2 besagt, dass 50% des Vermögens mit Eigenkapital finanziert ist. Je höher der Wert, desto höher ist der Fremdkapitalanteil.

Leverage-Effekt

Jedoch hat eine niedrige Eigenkapitalquote auf der anderen Seite auch positive Aspekte. Ist das Eigenkapital sehr gering, ist die erwirtschaftete Eigenkapitalrendite deutlich höher, insofern das Unternehmen Gewinne schreibt. Bei einem Gewinn von beispielsweise 1 Mio. € errechnet sich bei einem Eigenkapital von 10 Mio. € eine Eigenkapitalrendite von 10% (1 Mio. € / 10 Mio. €). Bei einem Eigenkapital von nur 2 Mio. € läge die Rendite bei gleicher Gewinngröße bei 50%. Die Verzinsung des Kapitals ist also bei gleicher Gewinngröße höher, wenn das Eigenkapital geringer ist. Angesichts der Tatsache, dass Investoren nach einer möglichst großen Kapitalverzinsung streben, scheint hier auf den ersten Blick ein Paradoxon vorzuliegen.

Dem ist jedoch nicht so. Vielmehr erklärt sich der Fall anhand von Kapitalkosten. Eigenkapital ist deutlich teurer als Fremdkapital. Während Fremdkapital derzeit für Zinssätze im niedrigen Prozentbereich zu bekommen ist, verlangen Eigenkapitalgeber eine deutlich höhere Verzinsung des Kapitals, die meist im zweistelligen Prozentbereich liegt. Die Unterschiede stammen daher, dass eine Renditeerwartung immer im Zusammenhang mit Risiko zu sehen ist. Während Kredite meist besichert und damit günstiger zu haben sind, ist Eigenkapital der Investoren nicht besichert und bedarf deshalb einer höheren Rendite als Risikoausgleich.

Hat ein Unternehmen nur ein sehr geringes Eigenkapital, ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen aus dem Markt ausscheidet, höher, als wenn die Eigenkapitaldecke dicker ist. Entsprechend ist die Eigenkapitalverzinsung bei gleichem Gewinn bei Unternehmen mit niedrigem Eigenkapital, als Ausgleich für das höhere Risiko der Investoren, höher. Auf der anderen Seite erhalten Investoren bei Unternehmen mit einer hohen Eigenkapitaldecke eine entsprechend niedrigere Verzinsung, da das Risiko des Unternehmens niedriger einzuschätzen ist.

Hierin kann durchaus eine große Chance liegen. Hat ein Unternehmen beispielsweise über viele Jahre hinweg sein Eigenkapital aufgebraucht, ist aber auf Kurs zu einer operativen Ertragswende mit geringem Risiko zukünftiger Verluste, kann man bei einem Investment einen hohen Hebel auf das eingesetzte Kapital erhalten.

Qualität des Eigenkapitals

Eigenkapital sollte jedoch auch auf seine Qualität hin untersucht werden und seine Nachhaltigkeit evaluiert werden. Damit ist insbesondere gemeint, dass das Aktivvermögen unter die Lupe genommen werden muss. Muss ein Aktivposten einer Neubewertung unterzogen werden und wird dann im Wert herabgesetzt (Impairment), mindert dies das Eigenkapital. Je nach Höhe der Wertberichtigung kann dies massive Auswirkungen auf den Eigenkapitalbestand haben. Oftmals, aber nicht ausschließlich, fallen solche Wertberichtigungen bei immateriellen Vermögensgegenständen, insbesondere Firmenwerten, an.

Firmenwerte sind die bei einer Übernahme über das Eigenkapital des übernommenen Unternehmens hinausgehende Kaufpreise, die nicht bestimmten Aktivposten zugeordnet werden können. Firmenwerte sind also ideelle Werte. Wenn sich die Übernahme im Nachhinein nicht als erfolgreich erweist und die operative Entwicklung den bezahlten Firmenwert nicht rechtfertigt, muss der Firmenwert (engl. Goodwill) wertberichtigt werden. In vielen Fällen kann dies zu massiven Eigenkapitalreduktionen führen. Das gilt insbesondere für Unternehmen mit einer regen Akquisitionstätigkeit.

Aber auch anderes Aktivvermögen, wie Maschinen, Vorräte oder Forderungen können wertberichtigt werden, was das Eigenkapital auf dieselbe Art und Weise mindert. Eine Überprüfung der Werthaltigkeit des Aktivvermögens ist vor diesem Hintergrund sehr wichtig.

Liquidität

Das wohl am einfachsten zu bewertende Aktivvermögen ist die Liquidität eines Unternehmens, sprich sein Geldvermögen. Der in der Bilanz ausgewiesene Wert entspricht nämlich genau dem Wert, der auch auf dem Bankkonto hinterlegt ist. Auch zur Liquidität zählen jedoch Geldanlagen, die sich aus momentan nicht benötigten Mitteln, die ein Unternehmen in verschiedenen Wertpapieren “parkt”, ergeben. Da diese in der Regel einen Börsenpreis haben, spiegelt auch hier der Ausweis in der Bilanz ein der Realität entsprechendes Bild wieder.

Auf einem anderen Blatt steht dabei natürlich die Frage, ob diese Geldanlagen sicher sind. Immer wieder kann man Unternehmenslenker dabei beobachten, wie sie Firmengelder in Aktienfonds, Dividendenfonds, Anleihen schwacher Bonität etc. investieren. Das ist für einen Aktionär des betreffenden Unternehmens sicherlich kein wünschenswerter Zustand, da dem Aktionär durch diese Aktivitäten Risiken aufgebürdet werden, die nicht aus dem operativen Geschäft heraus erwachsen und außerhalb der Kernkompetenz des Unternehmens liegen. Der Frage nachzugehen, wie liquide Mittel angelegt sind, ist also nicht unerheblich wichtig.

Höhe der liquiden Mittel ausreichend?

Liquide Mittel sind insbesondere deshalb wichtig, da sie dazu dienen, die Zahlungen zu leisten, die im täglichen Geschäft anfallen. Kann ein Unternehmen eine oder mehrere fällige Rechnungen nicht mehr begleichen, ist es zahlungsunfähig und nach der Definition der Insolvenzordnung zur Anmeldung der Insolvenz gezwungen.

Aber wie hoch muss die Liquidität sein, damit das genannte Risiko nicht Wirklichkeit wird? Dabei muss man die Verbindlichkeitenstruktur unter die Lupe nehmen. Die dringlichsten Verbindlichkeiten sind diejenigen, welche kurzfristig fällig werden. Ein Kredit, der in fünf Monaten zur Rückzahlung fällig wird, bedroht die Liquidität stärker als ein Kredit, der erst in drei Jahren zurückbezahlt werden muss. Um die kurzfristige Solvenz als stabil beurteilen zu können, müssen also die kurzfristigen Verbindlichkeiten durch die Liquidität gedeckt sein. Die entsprechende Kennzahl wird als Liquidität 1. Grades bezeichnet und sollte entsprechend ein Ergebnis von größer 1 hervorbringen:

Liquidität ersten Grades

Bei der Verwendung der Kennzahl ist jedoch Vorsicht geboten. Eine Bilanz ist immer eine Stichtagsbetrachtung. Am Tag nach der Bilanzerstellung können sich massive Verschiebungen ergeben, die zu einem komplett anderen Bild führen können. Zudem gibt die Kennzahl keinerlei Aufschluss darüber, über welchen Kreditrahmen das Unternehmen verfügt. Sollte eine Zahlung nicht aus dem bestehenden Cash vorgenommen werden können, kann eventuell auf eine bestehende Kreditlinie zurückgegriffen werden. Zudem können liquide Mittel gebunden sein, etwa in Vorräten oder Forderungen. Diese werden in der Regel aber auch in relativ kurzfristigen Zeiträumen in Cash gewandelt, sofern der Geschäftsverlauf normal fortschreitet. Eine Forderung in der Bilanz am Stichtag kann demnach bereits am darauffolgenden Tag beglichen werden und einen entsprechenden Cashzufluss herbeiführen. Daher kann man die Forderungen in die Betrachtung einbeziehen (Liquidität 2. Grades):

Liquidität zweiten Grades

Basierend auf derselben Logik kann man bei der Betrachtung auch die gesamten kurzfristigen Vermögensgegenstände berücksichtigen. Diese Kennzahl wird dann als Liquidität 3. Grades bezeichnet.

Fazit

Insgesamt ist festzuhalten, dass Eigenkapital und Liquidität zwei der wichtigsten Bilanzgrößen sind, die essenziell in eine Aktienevaluation einzubeziehen sind. Beide sind stark mit Ergebniszahlen und Cashflow verbunden und sind entscheidend für den Fortbestand eines Unternehmens. Nicht zuletzt geben sie hervorragend Aufschluss über die Qualität eines Unternehmens und dessen operatives Geschäft.

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