Residualwert

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Bei der Unternehmensbewertung handelt es sich um ein sehr weites Feld. Angefangen bei der Bilanzanalyse, über die Kennzahlenbetrachtung, bis hin zur Modellierung von Prognosen, müssen wir uns zur Ermittlung eines möglichst exakten Unternehmenswertes in viele Richtungen umschauen.

Ein Konzept haben wir jedoch immer wieder besonders hervorgehoben: Die Wertschöpfung. Ein Unternehmen muss eine Kapitalrendite erwirtschaften, die seine Kapitalkosten übersteigt, wenn es wertschöpfend tätig sein und damit seinen Kurs nachhaltig steigern will.

In diesem Zusammenhang haben wir Ihnen bereits das Konzept des Value Spreads vorgestellt. Zur Erinnerung: Der Value Spread ist die Differenz der Rendite auf das eingesetzte Kapital (Return on Capital Employed = ROCE) und den gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten (Weighted Average Cost of Capital = WACC). Übersteigt der ROCE den WACC, dann indiziert dies, dass das Unternehmen wertschöpfend arbeitet.

Der Residualwertansatz

Wenngleich wir das Konzept des Value Spreads sehr schätzen und diesem einen hohen Stellenwert einräumen, handelt es sich dabei jedoch um eine recht komplexe Messgröße, die nicht immer leicht handzuhaben ist. So kann man durchaus die Überlegung anstellen, ob man das Konzept der Überrendite nicht auch in einen Rahmen bringen könnte, welcher unmittelbar erlaubt, Bewertungsrückschlüsse zu ziehen.

Um diese Vereinfachung zu ermöglichen, benötigen wir einen Weg, der es uns erlaubt, die Überrendite eines Unternehmens in Euro zu messen und so die tatsächliche Wertschöpfung abzulesen. Die Lösung hierfür bietet der sogenannte Residualwertansatz. Dieser misst den Betrag an Wertschöpfung, den ein Unternehmen innerhalb einer Periode zusätzlich erwirtschaftet.

Der Residualwert wird am Eigenkapital gemessen. Das Eigenkapital ist dasjenige Vermögen, das den Eigentümern, also den Aktionären, zuzuordnen ist. Ein Zuwachs an Eigenkapital bedeutet also einen Wertzuwachs für die Aktionäre.

Der klassische Weg, das Eigenkapital zu erhöhen, erfolgt über die Erwirtschaftung von Jahresüberschüssen. Erzielt ein Unternehmen Gewinn, so ist das natürlich positiv für die Aktionäre. Daher verlangt es die Logik, die Gewinne unter die Lupe zu nehmen. Jedoch ist dies nur eine Seite der Medaille. Es kommt nämlich ein weiterer Faktor hinzu. Gewinn ist nicht gleich Gewinn. Die Jahresüberschüsse müssen auch eine bestimmten Höhe erreichen, um wertschöpfend zu sein.

Eigenkapitalkosten

Hintergrund dessen ist, dass Investoren eine bestimmte Renditeforderung haben. Kein Aktionär würde einem Unternehmen sein Geld zur Verfügung stellen, ohne eine Rendite zu erwarten. Für das Risiko, welches wir als Aktionäre eingehen, verlangen wir eine Kompensation in Form von Rendite. Wir wollen eine Wertsteigerung auf unser eingesetztes Kapital erzielen. Dabei haben wir bestimmte Vorstellungen.

Wir könnten unser Geld in deutsche Staatsanleihen investieren und eine (Nominal-)Rendite in Höhe von 2% bekommen. Dafür ist das Risiko gleich null. Bei der Investition in Aktien ist das Ausfallrisiko etwas höher als bei deutschen Staatsanleihen. Genau deshalb verlangen wir eine höhere Verzinsung unseres Kapitals. Mit 2% würden wir uns nicht zufrieden geben.

Wie hoch ist denn unsere Renditeforderung? Nun, das ist von Investor zu Investor verschieden und es gibt verschiedene Ansätze, diese zu bestimmen. Im Artikel ?”Kapitalkosten”? haben wir dieses Thema im Rahmen des Capital Asset Pricing Modells (CAPM) angesprochen. An dieser Stelle wollen wir das Thema Eigenkapitalkosten nicht noch einmal detailliert anreißen, jedoch behalten wir im Hinterkopf, dass Eigenkapitalkosten eine wichtige Rolle spielen. Den Grund dafür zeigen wir im Folgenden auf.

Das Residualeinkommen

Mit der Betrachtung der Eigenkapitalkosten schließt sich der Kreis zur eingangs erwähnten Überrendite. Der Jahresüberschuss eines Unternehmens sollte nämlich so hoch sein, dass die Eigenkapitalforderung eines Aktionärs erfüllt bzw. übertroffen wird. Im Umkehrschluss heißt das, dass ein Unternehmen auch im Falle einer Gewinnerzielung hinter den Renditeforderungen eines Investors zurückbleiben könnte. In diesem Fall ist die Investition für den Aktionär nicht wertschöpfend und der Aktienkurs wird nicht zulegen.

Der Fachbegriff für diese Form der Überrendite ist das Residualeinkommen, dessen Grundmodell sich mathematisch wie folgt ausdrücken lässt:

Residualeinkommen

Die Formel drückt also aus, dass die Renditeforderung eines Investors dem Produkt aus Eigenkapitalkosten und Eigenkapital entspricht. Nur wenn der erwirtschaftete Jahresüberschuss hoch genug ist, um dieses Ergebnis zu übertreffen, ist das Residualeinkommen positiv. Und nur dann findet eine positive Wertschöpfung für den Aktionär statt. Ist das Residualeinkommen negativ, wird Wert zerstört und der Aktienkurs eines Unternehmens sollte fallen. Nehmen wir an, dass ein Unternehmen einen Jahresüberschuss in Höhe von 0,5 Mio. €? erwirtschaftet. Das Eigenkapital des Unternehmens beträgt 10 Mio. €?, die Renditeforderung des Aktionärs 10%. In diesem Fall errechnet sich ein Residualeinkommen in Höhe von -0,5 Mio. €? (0,5 Mio. € -? [10% * 10 Mio. €?]). Das Unternehmen würde Wert vernichten.

Bewertungsimplikationen

Bleiben wir beim eben begonnenen Beispiel und nehmen zusätzlich an, dass das Unternehmen 1 Mio. Aktien ausstehen hat, welche bei aktuell 10 ?€ notieren. Die Marktkapitalisierung beträgt also 10 Mio. €?. Das Residualeinkommen beträgt, wie oben berechnet, -0,5 Mio. €?. Das Unternehmen vernichtet also in dieser Periode 0,5 Mio. €? an Wert. Pro Aktie entspricht dies 0,50 €? (0,5 Mio. €? Residualeinkommen / 1 Mio.? Aktien) Wertvernichtung. Angesichts der Forderung der Eigenkapitalverzinsung des Aktionärs in Höhe von 10% ergibt sich ein abdiskontierter Wert dieser Wertvernichtung in Höhe von 5 €? pro Aktie (0,50 ?€ pro Aktie / 10 %). Ziehen wir diesen Betrag vom aktuellen Aktienkurs ab (10€ - 5€?), wird deutlich, dass der Aktienkurs nach Bekanntgabe der Zahlen von 10€? auf nunmehr 5 ?€ korrigiert werden müsste.

Lassen Sie uns noch einen Schritt weiter gehen und auf die Ertragsrendite schauen. Die Ertragsrendite ist der Kehrwert des Kurs-Gewinn-Verhältnisses (KGV) und gilt als erwartete Verzinsung des Unternehmens, insofern kein weiteres Wachstum stattfindet. Im Falle unseres Beispielunternehmens errechnet sich ein KGV von 20 (10 Mio. €? Marktkapitalisierung / 0,5 Mio. € Jahresüberschuss). Der Kehrwert von 20 und damit die Ertragsrendite ist 5%.

Wir sehen also, dass die Ertragsrendite von 5% nicht an die Renditeerwartung des Aktionärs von 10% heranreicht. Sie ist gerade einmal halb so hoch. Auch diese Betrachtung verdeutlicht, dass der Kurs der Aktie nur halb so hoch wie derzeit notieren sollte, also um 50% auf 5 ?€ korrigiert werden müsste.

Würde der Kurs tatsächlich auf 5 ?€ korrigiert, so errechnete sich ein KGV in Höhe von 10, bzw. eine Ertragsrendite von 10%. Diese würde dann genau der Renditeforderung des Aktionärs entsprechen: Es hätte sich eine faire Bewertung eingestellt.

Der KBV-Fallstrick

Die Betrachtung des Residualeinkommens liefert darüber hinaus eine weitere wichtige Aussage. Bei der Geldanlage in Aktien achtet eine Vielzahl von Investoren auf das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV). Dieses drückt aus, wie die Börsenbewertung im Verhältnis zum Eigenkapital des Unternehmens steht. Value Investoren erachten ein Unternehmen dann als günstig, wenn die Börsenbewertung nahe bei oder sogar unterhalb des Eigenkapitals notiert (KBV < 1).

Hierbei ist Vorsicht geboten, denn Unternehmen notieren eben oftmals genau dann unterhalb ihres Buchwertes, wenn sie ein negatives Residualeinkommen erwirtschaften. Die Kennzahl KBV ist daher sehr behutsam anzuwenden und sollte nur dann als Indikator dienen, wenn das Residualeinkommen eines Unternehmens positiv ist (oder sein wird) und dennoch eine Notierung unterhalb des Buchwertes vorliegt. In einem solchen Fallhandelt es sich nämlich um eine Marktineffizienz, die man gewinnbringend nutzen kann.

Im Umkehrschluss heißt das auch, dass hohe KBVs kein schlechtes Zeichen sind, auch wenn einige Investoren dies behaupten. Im Gegenteil: Unternehmen, die hohe KBVs aufweisen, erzielen meist entweder bereits gegenwärtig sehr hohe Residualeinkommen, oder es wird erwartet, dass dies zumindest in der Zukunft der Fall sein wird. Unternehmen mit hohen KBVs betreiben daher oftmals eine hohe Wertschöpfung; eine perfekte Voraussetzung für Investoren.

Economic Value Added

Eine praktische Anwendung des theoretischen Prinzips des Residualeinkommens ist der von der Unternehmensberatung Stern Stewart & Company entwickelte Wert “Economic Value Added” beziehungsweise EVA. Hierbei wird jedoch ein etwas anderer Ansatz gewählt, der sich auf das Gesamtkapital eines Unternehmens bezieht. Die Berechnung erfolgt dabei nach folgender Formel:

EVA

NOPAT meint dabei den net operating profit after taxes (operatives Ergebnis nach Steuern) und berechnet sich wie folgt:

NOPAT

Dieser Wert spiegelt demzufolge das Ergebnis wieder, das allen Kapitalgebern (Eigen- und Fremdkapitalgebern) nach Zahlung von Steuern verbleibt. Der WACC bildet, wie bereits erwähnt, die gewichteten durchschnittlichen Kapitalkosten, also ein Mix aus Eigen- und Fremdkapitalkosten, ab. Da der EVA einen gesamtheitlichen Ansatz verfolgt und nicht ausschließlich das Eigenkapital betrachtet, reicht es nicht aus, auf die Eigenkapitalkosten abzustellen, sondern die Fremdkapitalkosten müssen in die Betrachtung miteinbezogen werden. Kongruent dazu wird das Gesamtkapital eines Unternehmens betrachtet. Das Gesamtkapital ist dementsprechend die Bilanzsumme eines Unternehmens, bzw. die Summe aus Eigen- und Fremdkapital.

Ist der EVA positiv, so erwirtschaftet das Unternehmen mit dem eingesetzten Eigen- und Fremdkapital eine positive Wertschöpfung und der Unternehmenswert sollte zunehmen. Ist der EVA negativ, ist das Umgekehrte der Fall.

Market Value Added

Ein weiteres Konzept, angelehnt an den EVA, ist der Wert “Market Value Added” (MVA). Das MVA-Konzept besagt, dass ein Unternehmen, welches eine positive Wertschöpfung betreibt, einen Marktwert haben sollte, der oberhalb des Eigenkapitalwertes liegt:

MVA

Dieses Konzept deckt sich mit der bereits angestellten Betrachtung, dass ein Unternehmen mit positiver Wertschöpfung auch ein KBV größer 1 aufweisen sollte und wird.

Fazit

Wertschöpfung ist das zentrale Thema, das Börsenkurse langfristig steigen lässt. Das heißt allerdings nicht, dass man die Einschätzung und Analyse eines Unternehmens auf diesen Punkt verdichten kann. Vielmehr ist die vollumfängliche Betrachtung und Analyse unbedingt notwendig, um die zukünftige Wertschöpfung eines Unternehmens erfassen zu können. Man sollte sich jedoch bewusst sein, dass sich am Ende alles auf diesen Kern konzentriert.

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