Wirtschaftswachstum verstehen & seine Bestandteile

Einer der größten Antriebskräfte für die Aktienmärkte ist das Wirtschaftswachstum. Nur wenn sich die Wirtschaft mittel- und langfristig positiv entwickelt, werden sich auch die Aktienmärkte nach oben bewegen. Daher ist es nur verständlich, wenn Börsianer mit Argusaugen auf die Wachstumsraten des Bruttoinlandsproduktes (BIP) eines Landes schauen.

Das Thema ist derzeit sehr akut, denn, wenn man sich die mediale Wirtschaftsberichterstattung der vergangenen Wochen und Monate anschaut, ist diese stark von der Befürchtung geprägt, dass das Wachstumstempo global abflachen und damit auch die Aktienmärkte ins Stocken geraten könnten. Allen voran wird dabei häufig China genannt, dessen Wachstum sich in 2016 auf nur noch rund 7 % belaufen soll, nach bis zu 10 % in den Vorjahren. Aber auch in den USA ist Wachstum ein Thema. Da dieses zu niedrig ist, zögert die Notenbank die Zinsen wieder anzuheben. Aber auch für Europa gilt selbiges. Vor allem die südeuropäischen Länder sind nach der Finanzkrise noch nicht wieder zu voller Stärke gekommen. Nicht zuletzt stecken für die Weltwirtschaft wichtige Schwellenländer wie Russland oder Brasilien seit mehreren Jahren bereits in einer Rezession.

Grund genug also einmal der Frage nachzugehen, wie Wirtschaftswachstum grundsätzlich generiert wird. Die grundlegende Formel ist dabei das Produkt aus dem Wachstum der aggregierten Arbeitsstunden und dem Produktivitätswachstum. Die aggregierten Arbeitsstunden meinen dabei die Anzahl aller geleisteten Arbeitsstunden der Menschen in einer Volkswirtschaft, wobei das Produktivitätswachstum die Effizienz beschreibt, mit der Arbeit erledigt wird. Beide Komponenten lassen sich dabei in Unterpunkte unterteilen, die wir uns im Folgenden näher anschauen werden.

Wirtschaftswachstum Kolumne

Wachstum der aggregierten Arbeitsstunden

Wie bereits erwähnt, beschreiben die aggregierten Arbeitsstunden die Summe aller Arbeitsstunden, die in einer Volkswirtschaft geleistet werden. Die Logik ist dabei einfach nachzuvollziehen. Wird mehr gearbeitet, kann in dieser längeren Zeit mehr geschaffen, mehr produziert oder können mehr Dienstleistungen erbracht werden. Die aggregierten Arbeitsstunden werden dabei insbesondere von drei Faktoren beeinflusst:

(1) Durchschnittliche Arbeitsstunden

Die durchschnittlichen Arbeitsstunden beschreiben die durchschnittliche Arbeitszeit pro Tag bzw. pro Woche. Sinkt die durchschnittliche Arbeitszeit über alle Erwerbstätigen hinweg, sinkt auch die Leistung, die in dieser verkürzten Zeit erbracht wird. Würde z.B. ein Gesetz eingeführt werden, dass jeder Erwerbstätige in Deutschland nur noch 5 Stunden am Tag arbeiten dürfte, würde sich das negativ auf die insgesamt geleisteten Arbeitsstunden auswirken und damit auf das Wirtschaftswachstum. Das würde natürlich voraussetzen, dass alle anderen Faktoren unverändert bleiben, was natürlich in der Praxis nicht vorkommen wird. In den vergangenen Jahrzehnten dürften aber zumindest die flexibleren Arbeitszeitmodelle, wie Teilzeitarbeit oder auch die Verkürzung der Wochenstunden im Zuge von Gewerkschaftsaktivismus einen Effekt auf das Wachstum in Deutschland gehabt haben.

(2) Erwerbsquote

Der zuletzt genannte Effekt der Flexibilisierung der Arbeitszeiten wurde auf der anderen Seite jedoch in den vergangenen Jahren durch eine steigende Erwerbsquote überkompensiert. Die Erwerbsquote beschreibt die Prozentzahl aller Erwachsenen einer Volkswirtschaft die im arbeitsfähigen Alter sind und auch tatsächlich arbeiten bzw. aktiv nach einer Arbeit suchen. So ist es heute selbstverständlich, dass Frauen einem Beruf nachgehen. Noch vor wenigen Jahrzehnten war dies anders. Die Emanzipation der Frauen im Berufsleben hat also zu einer Erhöhung der Erwerbsquote beigetragen. Auch die Nutzung von Angeboten wie Kitas, um auch nach der Geburt eines Kindes weiterhin arbeiten zu können, trägt dazu bei, dass die Erwerbsquote erhöht wird. Zudem sind auch Angebot wie Fort- und Umbildungen für Arbeitnehmer Maßnahmen, die dazu beitragen können die Erwerbsquote zu erhöhen.

(3) Bevölkerungswachstum

Der wichtigste Faktor für das Wachstum der aggregierten Arbeitsstunden ist das Bevölkerungswachstum, genauer gesagt, das Wachstum der arbeitenden Bevölkerung. An dieser Stelle stehen im Grunde alle Industrienationen vor dem gleichen Problem, nämlich dass die Geburtenraten immer weiter rückläufig sind. In vielen Schwellenländern sind viel höhere Geburtenraten zu verzeichnen, was einer der Gründe ist, warum diese Länder oft höhere Wachstumsraten aufweisen. In Europa und den USA führt die Geburtenschwäche zu einem Stagnieren oder sogar Abnehmen der Zahl der arbeitenden Bevölkerung, mit der Folge niedrigerer aggregierter Arbeitsstunden. Vor diesem Hintergrund betrachtet, ist auch das Thema der Zuwanderung in Deutschland und Europa eher ein positiver Faktor. Denn, durch die Zuwanderung wird der Geburtenrückgang kompensiert und das Arbeitspotenzial erhöht. Dies setzt natürlich die Schaffung entsprechender regulatorischer Möglichkeiten der Integration in den Arbeitsmarkt voraus.

Produktivitätswachstum

Auch das Produktivitätswachstum ist in drei Komponenten unterteilt, die für sich genommen und im Zusammenspiel miteinander einen Einfluss auf die Produktivität einer Volkswirtschaft haben. Grundsätzlich gilt dabei natürlich, dass das Wachstum umso mehr unterstützt wird, je höher die Produktivität einer Volkswirtschaft ist.

(1) Zuwachs des physischen Kapitals

Je mehr Kapital vorhanden ist, desto produktiver ist eine Volkswirtschaft. Mit Kapital ist dabei nicht etwa Geldvermögen gemeint, sondern vielmehr Produktionsanlagen wie Fabrikgebäude, Maschinen, Technologie etc. Insofern ist Kapital das Resultat von Investitionsentscheidungen die getroffen werden. Die Bedeutung des Faktors Kapital wird bei einer historischen Betrachtung deutlich. Wenn man sich z.B. die Feldarbeit vor hundert Jahren anschaut, wurde diese hauptsächlich durch körperliche Arbeit verrichtet. Heute werden Felder vollständig mit Hilfe von Maschinen bearbeitet. Dadurch geht die Arbeit heute deutlich schneller und effizienter als vor einigen Jahrzehnten. Das Mehr an Kapital hat die Landwirtschaft produktiver gemacht.

(2) Zuwachs des Humankapitals

Eine sehr wichtige Komponente der Produktivitätssteigerung ist der Zuwachs des Humankapitals. Damit sind Fähigkeiten, Erfahrungen und Wissen der Menschen gemeint. Durch Erfahrungswerte werden Arbeits- und Produktionsabläufe optimiert, beschleunigt oder verbessert. Alles das trägt zu einer Verbesserung der Produktivität bei. In diesem Zusammenhang ist das Thema Ausbildung ein sehr zentraler Punkt. Angefangen vom Schulsystem, über die Qualität von Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten, bis hin zu Weiterbildungsmaßnahmen, all diese Maßnahmen machen den Zuwachs von Humankapital aus. Dem Thema Bildung muss also eine enorm wichtige Rolle beigemessen werden. Dies gilt aber nicht nur inhaltlich, sondern auch was den Zugang anbelangt. Je mehr Menschen, unabhängig von ihren sozialen Hintergrund, Zugang zu Bildung haben, desto besser wird sich dies langfristig auf die Produktivität einer Volkswirtschaft auswirken. Nicht zuletzt dient auch der freie Informationsfluss, etwa durch das Internet, einer Verbreiterung von Humankapital, indem Erfahrungswerte konserviert, ausgetauscht und weitergegeben werden.

(3) Technologischer Fortschritt

Der technologische Fortschritt ist ein Kernelement der Produktivität, der wiederum einen Zuwachs an physischem Kapital in Form von Investitionen und an Humankapital in Form von Fähigkeiten, Erfahrungswerten etc. nach sich zieht. Ohne die Erfindungen der vergangenen Jahrhunderte, sei es die Dampfmaschine, der Ottomotor, das Flugzeug oder das Internet, wären wesentliche Produktivitätsfortschritte nicht möglich gewesen. Die Förderung von Forschung & Entwicklung, die Förderung von Gründertum sowie unbürokratische Regelungen für Wagniskapital sind wichtige Faktoren, um einen guten Nährboden für technologischen Fortschritt zu schaffen. Technologische Fortschritte und Errungenschaften ermöglichen es einer Volkswirtschaft zudem Wettbewerbsvorteile für sich zu beanspruchen und daraus auf dem Weltmarkt Kapital zu schlagen. Insofern geht auch die Förderung von Humankapital Hand in Hand mit dem technologischen Fortschritt.

Die Situation heute

Betrachten wir die Entwicklung der Wachstumskurven der Industrienationen der vergangenen Jahre, stellen wir fest, dass sich diese deutlich abgeflacht haben. Dieser Zustand wird oft als kritisch dargestellt und als Vorbote von Unheil angesehen. Jedoch ist diese Wachstumsabflachung in gesättigten Volkswirtschaften als vollkommen normal anzusehen. Wie oben bereits ausgeführt, ist vor allem der mangelnde Zuwachs an Bevölkerung in Europa und den USA ein wesentlicher Punkt dabei. In den vergangenen Jahrzehnten waren Bevölkerungswachstum und vor allem ein starker technologischer Fortschritt prägend für das Wachstum der westlichen Welt.

Der technologische Fortschritt ist nach wie vor vorhanden. Vor allem in Bereichen der Medizin, Energiegewinnung, Beförderung, Technologie etc. stehen in den kommenden Jahren maßgebliche Veränderungen bevor. Ob der technologische Fortschritt ausreichen wird, um das verlangsamte Bevölkerungswachstum zu kompensieren, bleibt abzuwarten. Die aggregierten Arbeitsstunden dürften tendenziell immer weiter abnehmen, da sich der Effekt durch eine höhere Zahl Erwerbstätiger (z.B. mehr erwerbstätige Frauen durch Teilzeitmodelle) normalisiert. In vielen modernen Volkswirtschaften ist auch der Zuwachs an Kapital ein Thema. Durch die Endindustrialisierung durch Verlagerungen von Kapital an günstigere Produktionsstandorte, wie z.B. nach Fernost, ist Kapital aus den Industrienationen abgeflossen. Die mangelnden Investitionen im Inland belasten das Wachstum entsprechend. England ist hierfür ein gutes Beispiel. Rund 80 % des BIP werden dort durch Dienstleistungen erwirtschaftet. Die Kapitalintensität hat anders ausgedrückt auf der Insel rapide abgenommen.

Es ist also auch die Politik gefragt, ein Land als Investitionsstandort attraktiv zu gestalten. Gleichzeitig müssen Innovationen, Forschung und Ausbildung gefördert und eine Familienpolitik betrieben werden, welche Menschen in ihrer Lebensplanung unterstützt. Auch das Investitionsklima muss gefördert werden, sei es im Bereich des Wagniskapitals oder im Bereich der börsennotierten Unternehmen. Denn, Unternehmen sind es wiederum, die investieren und damit Kapital für neue Wachstumsimpulse schaffen.

Fazit

Wirtschaftswachstum wird von vielen Einflussfaktoren bestimmt, die in einem engen Zusammenhang untereinander stehen. Der Zuwachs an aggregierten Arbeitsstunden plus Produktivitätswachstum sind dabei die Grundpfeiler. Die Betrachtung von Wirtschaftswachstum nach diesen Komponenten macht gut deutlich, wo die Probleme einiger Länder liegen und warum andere Länder eine höhere Wachstumsrate aufweisen. Auch kann man gut abschätzen, an welchen Stellschrauben die Politik vielleicht stärker drehen müsste, um eine gute Grundlage zu schaffen, um langfristig Wirtschaftswachstum zu generieren.

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