Nachhaltiges Wachstum bei Aktien ~ so finden Sie Wachstums­perlen

An der Börse werden große Erfolgsgeschichten gerne gehört. Geschichten von Unternehmen, die über viele Jahre hinweg fulminante Wachstumsraten aufweisen und die Konkurrenz weit hinter sich lassen. Oftmals sind es auch die Aktienkurse von solchen wachstumsstarken Unternehmen, welche sich rapide nach oben bewegen. Denken Sie nur an Unternehmen, die derzeit Schlagwörter wie Elektromobilität, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz oder Kryptowährungen adressieren.

Wachstum ist natürlich ein wichtiges und wesentliches Merkmal eines Unternehmens. Ohne Wachstum wird ein Unternehmen über lange Sicht nicht überleben können. Jedoch wird bei aller Euphorie über eine schöne Umsatzentwicklung häufig zu wenig beachtet, dass ein Unternehmen auch Gewinne erwirtschaften muss. Ein Unternehmen kann das stärkste Wachstum ausweisen, muss deshalb noch lange keine Gewinne erwirtschaften. Der Aktienkurs eines wachstumsstarken Unternehmens, dass keine oder nur sehr niedrige Gewinne erwirtschaftet, steigt nur deshalb, weil darauf spekuliert wird, dass dasjenige Unternehmen irgendwann einmal auf Basis des Umsatzwachstums auch ein Ergebniswachstum aufweisen werden kann.

Gewinne sind der Treiber, der das Eigenkapital eines Unternehmens steigen lässt und das Eigenkapital wiederum ist derjenige Kapitalanteil eines Unternehmens, der den Aktionären gehört. Alles andere ist anderen Kapitalgebern, zum Beispiel den kreditgebenden Banken, zuzurechnen.

Insofern ist es sehr wichtig, zu differenzieren, auf welche Form des Wachstums man abstellen möchte: Auf reines Umsatzwachstum oder auf das „wahre“ Wachstum, dass sich durch steigende Ergebnisse äußert und zu einem wachsenden Eigenkapital führt. Die Unterscheidung ist substanziell, denn für das „wahre“ Wachstum ist es zwingende Notwendigkeit, dass ein Unternehmen Gewinne erwirtschaftet, wohingegen reines Umsatzwachstum auch ohne schwarze Zahlen zu schreiben, erreicht werden kann.

Wir betrachten also einen qualitativen Unterschied beim Wachstum. Qualitativ bedeutet auch hinsichtlich der Fristigkeit der Betrachtung. Als wertorientierte Anleger verfolgen wir in den Alpha Star-Fonds eine langfristige Ausrichtung, weshalb das kurzfristige Umsatzwachstum sekundär ist. Eine Aktie kann in kurzer Zeit schnell zulegen, weil die Umsatzerlöse Fantasien der Anleger wecken, jedoch kann diese Blase bei Nichterfüllung der Erwartungen auch ebenso schnell wieder platzen. Langfristig ist es das Eigenkapital, dass den Wert eines Unternehmens bestimmt und damit ist das „wahre“ Wachstum die entscheidende Kenngröße für uns.

Was ist das „wahre“ Wachstum?

Das „wahre“ Wachstum von dem wir sprechen, wird im Fachjargon „Nachhaltige Wachstumsrate“ (Sustainable Growth Rate) genannt. Die Nachhaltige Wachstumsrate gibt an, wie stark ein Unternehmen auf der Ergebnisebene wachsen kann, ohne die derzeitige Finanzierungssituation zu verändern, also ohne neue Schulden zu machen oder neues Eigenkapital auszugeben. Dabei ergibt sich die Nachhaltige Wachstumsrate aus der Höhe der Verzinsung des Eigenkapitals (Eigenkapitalrendite) und der Ausschüttungsquote.

Nachhaltiges Wachstum

Beispiel: Erwirtschaftet ein Unternehmen eine Eigenkapitalrendite (Jahresüberschuss / Eigenkapital) in Höhe von 20% und schüttet 30% des Jahresüberschusses an die Aktionäre in Form von Dividenden aus, ergibt sich folgende Nachhaltige Wachstumsrate = 20% * (1-30%) = 14%. Die Logik dahinter ist, dass von dem erwirtschafteten Gewinn 70% im Unternehmen verbleiben und dem Eigenkapital zufließen. Dieser im Unternehmen verbleibende Teil des Gewinns wird wiederum unter sonst gleichbleibenden Bedingungen im Folgejahr erneut mit 20% verzinst. So kommt es, dass das Eigenkapital des Unternehmens jedes Jahr um den reinvestierten Gewinn anwächst und zwar in Höhe der Nachhaltigen Wachstumsrate, in unserem Beispiel um 14%. Es ist demnach egal wie hoch das Umsatzwachstum war, entscheidend ist, dass das Eigenkapital um 14% gewachsen ist und damit der Wert für uns als Aktionäre entsprechend zugelegt hat. Anders ausgedrückt, besteht eine fundamentale Rechtfertigung für die Aktie, einen Kurszuwachs um 14% zu vollziehen.

Analyse der nachhaltigen Wachstumsrate

Die Nachhaltige Wachstumsrate ist eine Modellrechnung, die nur unter bestimmten Voraussetzungen auch in der Praxis zutreffend ist. Umso wichtiger ist es, dass man diese Rahmenbedingungen kennt und analysiert. Wie bereits erwähnt, ist die Nachhaltige Wachstumsrate derjenige Wert, um den ein Unternehmen seine Ergebnisse und folglich das Eigenkapital steigern kann, wenn die Finanzierungssituation unverändert beibehalten wird. So könnte beispielsweise die Eigenkapitalrendite und damit die Wachstumsrate erhöht werden, indem der Eigenkapitalanteil reduziert wird, etwa durch die Aufnahme der Bankschulden. Auch die Emission von neuem Aktienkapital würde die Kapitalstruktur verändern und damit die Berechnung verzerren.

Es ist daher wichtig, die Annahme einer gleichbleibenden Kapitalstruktur zu setzen. Gleiches gilt für die Dividendenpolitik. Entscheidet sich ein Unternehmen dazu, die Ausschüttungsquote zu erhöhen, würde dies die nachhaltige Wachstumsrate senken. Senkt ein Unternehmen die Ausschüttungsquote, steigert dies das nachhaltige Wachstumspotenzial.

Beide Punkte lassen sich in der Regel recht gut bestimmen, da gut geführte Unternehmen sowohl verlässliche Kapitalstrukturen ausweisen, als auch eine nachhaltige Dividendenpolitik verfolgen. Meist sind die Rahmenbedingungen dahingehend also gut einschätzbar. Ungeachtet dessen, ist es nützlich, verschiedene Szenarien zu erstellen, um zu sehen, in welche Richtung sich die Nachhaltige Wachstumsrate entwickeln könnte.

Liegt die Nachhaltige Wachstumsrate unterhalb der tatsächlichen Wachstumsrate der Ergebnisse, wird deutlich, dass das Unternehmen die erhöhte tatsächliche Rate unter sonst gleichen Bedingungen nicht nachhaltig aufrechterhalten kann, also ohne sich frisches Kapital von den Aktionären oder Fremdkapitalgebern zu besorgen.

Liegt die Nachhaltige Wachstumsrate über dem tatsächlichen Wachstum der Ergebnisse, weist das Unternehmen möglicherweise die Chance auf, das Ergebniswachstum zu steigern bzw. ist zuletzt unter seinem Potenzial geblieben. Jedoch ist hierbei auch zu konstatieren, dass ein Unternehmen in diesem Fall Potenziale für Aktionäre möglicherweise nicht ausreichend ausnutzt. In einem solchen Fall gilt es also genau zu analysieren, woran die Wachstumsschwäche liegt und ob das Potenzial besteht, dieser zu entkommen. Häufig ist eine solche Konstellation bei Unternehmen in gesättigten und daher wachstumsschwachen Industrien zu finden.

Fazit

Umsatzwachstum ist häufig eines der angeführten Argumente für oder gegen eine Aktie. Wirklich wichtig ist jedoch nicht das Umsatzwachstum, sondern das Ergebniswachstum, da das Ergebniswachstum zur Steigerung des Aktionärskapitals führt. Eine Idee davon, wie hoch das Ergebniswachstum organisch sein kann, gibt uns die Nachhaltige Wachstumsrate. Diese verrät uns nichts über die Chancen eines Unternehmens auf der Umsatzseite zu wachsen. Ob das Management die sich bietenden Möglichkeiten am Markt ausreichend nutzt, um die Umsatzerlöse zu steigern, muss anderweitig evaluiert werden.

Was uns die Nachhaltige Wachstumsrate jedoch verrät, ist eine Einschätzung darüber, ob die ergebnisseitigen Wachstumspläne bzw. Wachstumsszenarien bei einem Unternehmen realistisch sind oder nicht. Beinhaltet Ihre Erwartung zu einem Unternehmen z.B. eine Ergebnissteigerung um 20%, die Nachhaltige Wachstumsrate lässt jedoch nur 10% zu, dann muss die Differenz aus anderen Quellen als der internen Ertragskraft stammen, zum Beispiel einer Veränderung der Kapitalstruktur oder der Ausschüttungsquote. Anders ausgedrückt, wäre in diesem Beispiel nur die Hälfte des Ergebniswachstums eine „wahre“ Wertsteigerung für Aktionäre, woraus man wertvolle Schlüsse über das jeweilige Investment ziehen kann.

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