Hohe Renditen erzielen: Diese Faktoren schaffen Überrenditen
In seinem Buch „Game, Set, & Math“ beschreibt Ian Steward seine Untersuchungen, wonach ein Tennisspieler, der in einem 5-Satz-Match nur 53% der Ballwechsel für sich entscheiden kann, eine 85%ige Wahrscheinlichkeit hat das gesamte Match zu gewinnen. Bei einer Rate von 60% gewonnener Ballwechsel erhöht sich die Gewinnwahrscheinlichkeit auf nahezu 100%. Dieses Beispiel aus der Welt des Sports zeigt, dass ein nur sehr kleiner Vorteil in der Fähigkeit einen dramatischen Vorteil insgesamt erzielen kann und sich der Glücksfaktor massiv reduziert, der sicherlich beim Tennis eine gewisse Rolle spielt.
Der Glücksfaktor bei einer Betätigung nimmt einen höheren Stellenwert ein, je weniger das nächste Ereignis beeinflussbar ist. Logischerweise hat man zum Beispiel beim Roulette keine Chance die Kugel zu beeinflussen. Roulette basiert daher zu 100% auf Glück. Das Gegenteil ist beim Schach der Fall. Hier bestimmt der Spieler vollständig den nächsten Zug. Der Glücksfaktor ist dabei Null. Die meisten Sportarten haben eine gewisse Glückskomponente. Fußball ist dabei zum Beispiel mit einem höheren Glücksfaktor versehen als Tennis. Das liegt einfach daran, dass beim Tennis mehr Ballwechsel geschehen als Torschüsse beim Fußball. Die höhere Anzahl an Ereignissen beim Tennis lässt die Fähigkeiten schneller über den Glücksfaktor dominieren. So kommt es zum Beispiel, dass ein Drittligist im Fußball gegen einen Erstligisten gewinnen kann. Das ein drittklassiger Spieler Schach-Weltmeister Magnus Carlsen besiegt, ist hingegen nahezu ausgeschlossen.
Michael J. Mauboussin hat diese Einteilung von Aktivitäten in Abhängigkeit von Glück und Fähigkeiten in seinem Buch „The Success Equation“ auf einen sog. Glücks-Fähigkeiten-Kontinuum vorgenommen.
Wie hoch ist der Glücksfaktor an der Börse?
Wie auf dem Glücks-Fähigkeiten-Kontinuum abzulesen ist, ist Börse bzw. Investieren an der Börse auf der Skala relativ weit links angeordnet. Das bedeutet, dass die Glückskomponente beim Investieren relativ hoch ist. Zwar lassen sich die Resultate durch gewisse Fähigkeiten positiv beeinflussen, aber die Möglichkeiten sind rar gestreut und haben sich vor allem in den vergangenen Jahren deutlich reduziert.
Für diese Tatsache gibt es insbesondere zwei Gründe. Zum einen ist die Population an der Börse größer geworden. Zwar hören wir seit Jahren, dass die Anzahl der Privatpersonen, die in Aktien investiert ist, zurückgeht, aber die Anzahl der Marktteilnehmer steigt. So hat der Siegeszug von passiven Produkten wie ETFs in den vergangenen Jahren zu einer deutlichen Steigerung der angebotenen Produkte geführt. Insgesamt hat die langanhaltende Hausse der vergangenen Jahre das Produktangebot florieren lassen. Der Effekt dieser gesteigerten Anzahl an Marktteilnehmern ist, dass mehr Know-how an den Markt gelangt ist und die Unterschiede bei den Fähigkeiten einzelner in der Folge kleiner geworden sind.
Der zweite Grund für den steigenden Glücksfaktor in den vergangenen Jahren ist die Informationsverfügbarkeit. Mehr Leute nehmen am Marktgeschehen teil und haben immer weniger Informationsvorsprünge, da durch das Internet quasi jeder alle möglichen Informationen gleichschnell erhalten kann. Der Vorteil des Informationsvorsprungs ist in den breiten Massenmärkten kaum mehr erzielbar.
Wie reagieren Anleger?
Wenn Glück eine maßgebliche Rolle spielt, nützen uns Erfahrungen ausgesprochen wenig. Ein Tennisspieler mit einer gewissen Erfahrung kann intuitiv auf Situationen reagieren, da sein Unterbewusstsein eine Vielzahl von Erfahrungen gespeichert hat. Sieht er also eine bestimmte Bewegung seines Gegenspielers, läuft er z.B. intuitiv in die rechte Spielfeldecke, da er weiß, dass die bestimmte Bewegung dazu führt, dass der Ball wahrscheinlich lang, rechts gespielt wird. Erfahrung hat die Fähigkeiten des Spielers über die Jahre genährt.
Im Umkehrschluss der oben beschriebenen Feststellungen wird es an den Börsen im sich verändernden Umfeld immer schwieriger eine Überrendite zu erzielen. Durch die generelle Verfügbarkeit der Information und der daraus resultierenden zunehmenden Komplexität nimmt die Gleichförmigkeit der Börsen zu und der Glücksfaktor kommt stärker zum Tragen. Intuition hilft uns hier wenig.
Dennoch neigen wir Menschen dazu, bei komplexen Situationen in den intuitiven Modus zu wechseln, was der Nobelpreisträger und Psychologe Daniel Kahnemann mit „Substitution“ beschreibt: „Komplexität wird mit Vereinfachung bekämpft.“ Dies machen wir, um unser Gehirn im Alltag nicht zu überfordern und trotz komplexer Umstände nicht verrückt zu werden.
Die Wirtschaftspresse beschreibt zum Beispiel eine Marktentwicklung gerne wie folgt: „Der Markt ist heute um 5% gefallen, weil der US-Notenbankchef in seiner Rede einen schnelleren Zinsanstieg hat durchblicken lassen.“ Was dabei nicht beachtet wird, ist der Umstand, dass Effekt und Wirkung an der Börse nicht unbedingt linear verlaufen. Vielmehr geschehen an den Aktienmärkten hochkomplexe Vorgänge, die sich nicht mit singulären Zusammenhängen erklären lassen. Wenn ich auf eine heiße Herdplatte greife, weiß ich unmittelbar um Effekt und Wirkung. Die Folge ist, dass ich sehr schnell lerne, dass Herdplatten anfassen keine gute Idee ist. Je mehr die Zusammenhänge zwischen Effekte und Wirkung verschwimmen, desto schwerer lässt sich auch Intuition erlangen. An den Börsen ist das der Fall.
Was ist die Lösung?
Börse hat also einen großen Glücksanteil und unsere Fähigkeiten kommen damit häufig nicht zum Tragen. Die höchste Wahrscheinlichkeit, über einen langen Zeitraum eine Überrendite zu erzielen, hat damit die Verfolgung eines konsequenten Prozesses. Ein guter Prozess kann natürlich dazu führen, dass von Zeit zu Zeit Ergebnisse resultieren, die nicht gewünscht sind. Jeder Börsianer wird hin und wieder auch negative Renditen erwirtschaften. Aber genauso kann ein schlechter Prozess dazu führen, dass von Zeit zu Zeit gewünschte Ergebnisse herauskommen, man also Glück hat.
Wenn ein Prozess gut funktioniert, wird sich jedoch über einen langen Zeitraum hinweg die Fähigkeits-Komponente durchsetzen und der Gesamtentwicklung seinen Stempel aufdrücken, auch wenn die Glückskomponente einen hohen Anteil am Gesamtresultat hat. Langfristig ist hierbei ein entscheidendes Wort. Häufig wird dieser Aspekt ignoriert, vor allem in der Investmentindustrie. Vielmehr werden Erfolge anhand kurzfristiger Entwicklungen beurteilt. So werden z.B. oftmals Aktien oder Fonds präferiert und können sich reger Anlegernachfrage erfreuen, die sich in den vergangenen 12 Monaten sehr stark entwickelt haben. Ein solch kurzer Zeitraum lässt jedoch in der Regel keinen Rückschluss darüber zu, wie die gute Rendite zustande gekommen ist und wie hoch der Glücksanteil dabei war.
Vielmehr wäre wichtig zu hinterfragen, wie der Analyseprozess funktioniert und wie die wiederholbaren Vorgänge aussehen, die auch in Zukunft dafür sorgen können, dass gute Chancen auf eine solch erfolgreiche Entwicklung bestehen. Wir dürfen dabei nicht vergessen, dass die Rückkehr zum Mittelwert bei glücksdominierten Vorgängen eine starke Kraft ist. Nur weil Sie beim Münzwerfen fünfmal in Folge Kopf getroffen haben, heißt das noch nicht, dass Sie auch in Zukunft mehr Kopf als Zahl bekommen werden. Im Gegenteil, die Rückkehr zum Mittelwert wird dazu führen, dass Sie, wenn Sie die Münze 100 Mal oder 1.000 Mal geworfen haben, im Durchschnitt bei 50:50 landen werden. Der Mittelwert wird sich Richtung 50% bewegen. Das gleiche gilt bei Fonds. Besteht kein reproduzierbarer Prozess, der die Analyse-Fähigkeiten des Fondsmanagements zur Geltung kommen lässt, wird die Rückkehr zum Mittelwert eine starke Wirkung haben, mit der Folge, dass die Marktrendite das Resultat ist.
Teil-Fazit
Glück spielt an der Börse keine unwesentliche Rolle. Bei der Betrachtung des Erfolgs einer Anlagemöglichkeit ist es daher immer wichtig zwei Komponenten zu berücksichtigen. 1. Der Zeitfaktor: Wenn Glück eine Rolle spielt, braucht es einen längeren Zeithorizont, um die Komponente Fähigkeit zum Tragen kommen zu lassen. 2. Der Investmentprozess: Damit sich die Fähigkeiten gegenüber der Glückskomponente langfristig durchsetzen können, bedarf es eines wiederholbaren und konsequent umsetzbaren Analyseprozesses. Hier sollten Anleger das Hauptaugenmerk legen. Nur wenn diese Voraussetzungen gegeben sind, bestehen gute Chancen die Märkte nicht nur mit Glück und kurzfristig zu schlagen, sondern langfristig eine Überrendite zu erzielen.
Um den Analysevorteil zur Geltung kommen zu lassen, bedarf es wichtiger Voraussetzungen. Drei wesentliche Bestandteile, um langfristig eine Überrendite erzielen zu können, sind dabei: Strategie, Geduld und Interessengleichrichtung.
1. Strategie
Um Überrenditen erzielen zu können, bedarf es natürlich einer guten Strategie. Denn, nur wenn die Entscheidungen für die „richtigen“ Aktien getroffen werden, wird eine überdurchschnittliche Wertsteigerung die Folge sein. Ansonsten ist bestenfalls die Marktrendite möglich.
Es gilt also, eine Strategie zu entwickeln, nach welcher sich bestimmen lässt, warum der Preis und der Wert einer Aktie auseinandergefallen sind und warum sich diese Diskrepanz wieder schließen wird. Denn, wenn der Preis einer Aktie unterhalb ihres Wertes notiert, ist diese günstig bewertet und bietet das Potenzial, dass sich beides wieder angleicht.
Diese entwickelte Strategie muss konsequent verfolgt werden. Dabei können verschiedene Werkzeuge behilflich sein, um die Konsequenz zu unterstützen und sicherzustellen. Im Bereich des Investierens ist dabei zum Beispiel an eine schriftliche Fixierung der Investitionskriterien zu denken. Sollte davon abgewichen werden, kann man sich selbst erinnern. Noch effektiver ist, wenn diese Kontrolle von Dritten durchgeführt wird. Auch Checklisten sind eine gute Methode, um in der Analyse sicherzustellen, dass keine relevanten Punkte zu vergessen. Checklisten helfen dabei, die Fehlerquote zu reduzieren, ohne überhaupt neue Fähigkeiten erlernen zu müssen.
Nicht unbedeutend ist auch die Risikokontrolle. Eine ausgewogene Betrachtung der Chancen und Risiken ist ein Kernpunkt. Wenn man nur die Chancen eines Investments sieht, läuft man schnell in eine Falle hinein. Sieht man hingegen nur die Risiken und misst den Potenzialen zu wenig Bedeutung bei, verpasst man möglicherweise gute Gelegenheiten. Da es beim Investieren selten eine reine Schwarz-Weiß-Betrachtung gibt, empfiehlt sich die Abwägung der Chancen und Risiken gegeneinander, zum Beispiel mittels der Bestimmung von Wahrscheinlichkeiten bestimmter Szenarien.
2. Geduld
Die Lücke zwischen Wert und Preis ist eines der zentralen Elemente erfolgreichen Investierens. Dies erfordert manchmal Geduld, manchmal Nerven. Auf jeden Fall erfordert es – wenn man einmal eine gute Strategie entwickelt hat – jede Menge Disziplin. Nur wenn Preis und Wert tatsächlich in einer Größenordnung auseinanderfallen, die das Risiko entsprechend rechtfertigt, sollte auch gehandelt werden.
Anleger haben entgegen dieser Handlungsempfehlung oftmals eine starke Tendenz dazu, in Aktien zu investieren, die in den vergangenen Wochen oder Monaten sehr gut gelaufen sind. Der reine Kursverlauf sagt jedoch nichts darüber aus, wie gut sich das Unternehmen tatsächlich entwickelt hat. Vielmehr kann sich der Kurs ohne jede fundamentale Untermauerung nach oben bewegen – möglicherweise über Monate oder Jahre hinweg.
Wenn Glück eine nicht unwesentliche Rolle spielt, wie das an der Börse kurzfristig der Fall ist, ist die statistische Beständigkeit eines Trends üblicherweise sehr niedrig, was bedeutet, dass die Rückkehr zum Mittelwert einen sehr starken Effekt hat. Viele Anleger sehen diesen Zusammenhang oft nicht klar genug, was zur Folge hat, dass ein schlechtes Timing beim Investieren an den Tag gelegt wird, mit dem Resultat unterdurchschnittlicher Investmentergebnisse.
Wenn Glück eine wesentliche Rolle an der Börse spielt, können gute Entscheidungen dazu führen, dass schlechte Resultate die Folge sind und umgekehrt. Umso wichtiger ist es, den Unterschied zwischen Wert und Preis genau herauszuarbeiten, sich auf diesen zu fokussieren und nicht auf die Kursentwicklung.
Liegt der Kurs einer Aktie beispielsweise bei 10 und der faire Wert bei 20, kann es dennoch sein, dass der Kurs von 10 auf 5 heruntergeht. Sollte der Kurs einer Aktie, deren fairer Wert bei 30 liegt, bei 40 notieren, kann diese überbewertete Aktie dennoch auf 50 steigen. Aber, dieser Zustand der Überbewertung wird nicht ewig andauern, sondern die Rückkehr zum Mittelwert wird stattfinden und den Kurs im letzteren Beispiel unter Druck bringen, bis er wieder auf dem Niveau des fairen Wertes notiert. Umgekehrt wird eine unterbewertete Aktie nicht ewig unterbewertet bleiben, sondern es ist statistische Wahrscheinlichkeit, dass Kurs und Wert sich angleichen, mit dem Effekt, dass eine unterbewertete Aktie steigt. Zeitlich lassen sich diese Kräfte nicht steuern, es hilft nur Geduld.
3. Interessengleichrichtung
Kosten sind bei Investments ein entscheidender Renditefaktor, denn Kosten senken die Nettorendite. Das ist ein Thema, dass viele Anleger richtigerweise auf dem Radar haben und sehr wichtig nehmen. Bei der Kostenbetrachtung wird jedoch häufig ein ganz entscheidender Aspekt außer Acht gelassen, nämlich die sogenannten Agency Costs. Agency Costs sind diejenigen Kosten, die entstehen, wenn ein Auftragnehmer nicht im vollen Interesse des Auftraggebers handelt. Im Bereich der Geldanlage wäre das der Fondsmanager oder Vermögensverwalter, der nicht im allerbesten Sinne des Anlegers handelt. Entgangene Gewinne oder entstandene Verlust sind indirekte Kosten, die viel schwerwiegender sein können als die direkten, laufenden Kosten.
Dieser Aspekt ist wichtiger als viele annehmen, denn, wenn z.B. ein Fondsmanager in seinem Handeln beeinträchtigt ist, werden möglicherweise Entscheidungen getroffen, die entweder das Risiko unsachgemäß erhöhen oder Rendite auf der Strecke bleibt. Das könnte zum Beispiel dann der Fall sein, wenn ein angestellter Fondsmanager zu defensive Entscheidungen trifft, um nicht zu viel Risiko einzugehen, weil dies Kritik von seinem Vorgesetzten für Folge hätte oder sogar seinen Job kosten könnte. Getreu nach dem Motto, lieber weniger Rendite, als zu viel Risiko, was meinen Kopf kosten könnte. Andersherum könnte ein Fondsmanager ein zu hohes Risiko eingehen, weil sein Gehalt maßgeblich von der Erfolgsprovision geprägt ist. Das unsachgemäße Risiko kann ihm aber egal sein, weil es ja nicht sein investiertes Geld ist, dass im Feuer steht.
Diese Eventualitäten von teuren Agency Costs können ausgeschlossen werden, mit nur einem Checkpunkt: Das eigene Investment des Fondsmanagements. Ist das Fondsmanagement selbst in den eigenen Produkten investiert, bringt das eine vollkommene Gleichrichtung der Interessen mit sich. Dies wiederum senkt die Agency Costs auf null, da das Fondsmanagement genauso profitiert und verliert wie alle anderen Anleger auch.
Fazit
Investieren ist mehr als das Kaufen und Verkaufen von Aktien. Wenn langfristig eine Überrendite erzielt werden soll, dann kommen wesentliche Faktoren hinzu, die teils mindestens genauso anspruchsvoll sind wie die Analyse von Aktien selbst. Denn, neben den kognitiven Anstrengungen sind zusätzlich emotionale Hürden zu meistern, die von Erfolg abhalten können. Mit dem Fokus auf eine klare Strategie, mit Disziplin in der Umsetzung und einer Gleichrichtung von Interessen zwischen Verantwortlichen und Anlegern, werden wesentliche Grundlagen geschaffen, um das Ziel einer langfristigen Überrendite zu erreichen.
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Autor des Beitrags "Gute Renditen sind kein Zufall":
Alpha Star Management GmbH
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